NBA-Commissioner Adam Silver

Die NBA gehört mit einem Jahresumsatz von 8,8 Milliarden Dollar zu den einflussreichsten Sportligen der Welt. Kein Wunder also, dass immer mehr Städte Interesse anmelden, ein Teil davon zu sein. Ob es in nächster Zeit allerdings zu einer erneuten Expansion kommt, ist fraglich.

Seit Einführung der NBA im Jahre 1946 befindet sich die Liga im Wandel, Teams kommen und gehen. Gerade zu Beginn, als die Association noch in den Kinderschuhen steckte, gab es eine Menge an Bewegung. War man 1949, drei Jahre nach der Gründung, schon von elf auf 17 Teams angewachsen, waren es 1953 schon wieder nur acht Mannschaften, die in Nordamerika auf Korbjagd gingen. Der Grund: Vor allem die kleineren Teams hatten  Schwierigkeiten, die finanziellen Herausforderungen für ein Bestehen in der besten Basketballliga der Welt zu stemmen. Nichtsdestotrotz gab es im Laufe der Zeit wieder stetigen Zuwachs, sodass die NBA seit 1961 von zwölf auf aktuell 30 Teams gewachsen ist. Zwischen 1967 und 1980 kamen 14 der aktuell 30 in der Liga vertretenen Franchises hinzu. 1995 traten mit den Toronto Raptors, dem aktuellen Champion, und den Vancouver Grizzlies (heute Memphis Grizzlies) erstmals zwei kanadische Teams der Liga bei. So expandierte die Nordamerikanische Profiliga auch erstmals über die US-Grenzen hinaus.

Der bis heute letzte Neuankömmling, die New Orleans Pelicans, stießen 2002 zur National Basketball Association. Wer nun auf die Oklahoma City Thunder verweist: Eine „Relocation“, also der Umzug an einen neuen Standort, den es im Laufe der NBA-Historie insgesamt 25 mal gab, fällt nicht in diese Kategorie. Um neue Spieler für das Team zu gewinnen und gleich in Jahr eins einigermaßen konkurrenzfähig zu sein, veranstaltet die Liga in solchen Fällen sogenannte „Expansion-Drafts“. Mit dem jährlich stattfindenden Draft, in dem junge Spieler die Chance haben, von einem der 30 NBA-Teams ausgewählt zu werden, hat dies jedoch nichts zu tun. Im „Expansion-Draft“ darf der Neuankömmling von jeder bestehenden Mannschaft einen Spieler draften. Die Teams müssen aber keine Sorge haben, dass ihnen die größten Stars geklaut werden – jede bereits bestehende Franchise darf nämlich bis zu acht Spieler „schützen“ und so sichergehen, dass die Publikumsmagneten auch im kommenden Jahr in eigener Halle auflaufen.

So werden meist nur alte, verletzte oder überbezahlte  Spieler von den Mannschaften zur Verfügung gestellt. Das macht es für die neuen Teams natürlich schwer, in den ersten Saisons gleich Playoff-Luft zu schnuppern – dennoch bilden die ausgewählten Spieler das Fundament, mit dem sich für die Zukunft planen lässt. Und mit Blick auf die großen Zeitspannen, in der die Liga neue Mitglieder begrüßen durfte, stellt sich die Frage: Kommt in den kommenden Jahren eine neue Franchise hinzu? Und wenn ja, wo wird diese ihre Heimat finden?

Blick nach vorn

Aus logistischen Gründen wäre es wahrscheinlich, dass bei einer neuerlichen Aufstockung der Liga mindestens zwei neue Franchises aufgenommen werden würden. Um für einen Platz in der besten Basketballliga der Welt aber überhaupt in Frage zu kommen, muss im Vorhinein schon einiges an Geld locker gemacht werden. Neue Eigentümer müssten Experten zufolge eine Aufnahmegebühr in höhe von etwa einer Milliarde Dollar zahlen – ein Wert, der zwar extrem hoch scheint, bei den Erlösen, die ihnen der Spielbetrieb bescheren würde, aber als lohnendes Investment gesehen werden kann. Das würde bei einer Expansion um zwei weitere Teams Einnahmen von etwa 66 Millionen Dollar für die derzeitig bestehenden 30 Teams bedeuten, auf welche die Aufnahmegebühr der Neuankömmlinge aufgeteilt werden würde.

Aber: Laut Commissioner Adam Silver steht eine Erweiterung der Liga momentan nicht auf der Liste. Als er 2019 gefragt wurde, wie die Chancen auf eine Aufstockung der NBA denn stehen, war die Antwort ernüchternd für alle, die sich nach einem neuen Team sehnen: „Wir sind momentan nicht im Expansions-Modus. Die NBA fühlt sich geehrt, dass sich so viele Städte für eine Aufnahme interessieren, aber im Moment steht das nicht auf unserer Agenda“, so Silver. Ob diese Worte jedoch in Stein gemeißelt sind, darf durchaus bezweifelt werden – 2017 war der Liga-Boss nämlich noch anderer Meinung. Damals sagte er in einem Interview mit dem „Player’s Tribune“, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis man ernsthaft über eine Vergrößerung der Liga nachdenken müsse. Der 55-Jährige ergänzte, dass er zwar momentan keinen genauen Zeitplan festlegen wolle, dennoch sei es „unvermeidlich, dass wir über Wachstum nachdenken.“

Das Wachstum der Association selbst nämlich scheint unaufhaltsam: 2016 schloss die NBA einen TV-Vertrag ab, welcher der Liga bis zum Jahr 2025 Einnahmen von insgesamt 24 Milliarden Dollar garantiert. Man darf ob dieser finanziellen Wucht also gespannt sein, ob und wann die beste Basketballliga der Welt ihre Tore für neue Teams öffnet. Anwärter gäbe es auf jeden Fall genug. Es gibt eine lange Liste von Städten, die sich gerne als Teil der NBA sehen würde. BASKET stellt die fünf aussichtsreichsten Kandidaten vor.

5. Vancouver

Die Toronto Raptors haben vorgemacht, dass man seine Heimspiele nicht zwingend in den USA austragen muss, um einen NBA-Titel zu gewinnen – wird die kanadische Metropole Vancouver also möglicherweise bald der nächste Basketball-Hotspot im Hohen Norden? Umfragen zufolge ist Vancouver die Stadt mit den meisten Befürwortern, wenn es darum geht, eine neue Franchise für die NBA zu formen. Und das ist bei 2,4 Millionen Einwohnern keine so leicht zu ignorierende Tatsache. Mit den Raptors befindet sich zwar aktuell schon ein Team aus Kanada in der besten Basketballliga der Welt, die Dinos sind jedoch so weit im Osten des Landes angesiedelt, dass für den Großteil der Bevölkerung ein richtiges Fan-Gefühl ausbleibt – Vancouver liegt übrigens im Westen des Landes mit dem Ahornblatt. Mit den Vancouver Grizzlies hat die Stadt von 1995 bis 2001 schon Erfahrung mit NBA-Basketball gesammelt. Nach deren Umzug nach Memphis 2001 (Memphis Grizzlies) war es das dann aber auch – doch wohl selten stand die generelle Chance für kanadische Teams auf ein NBA-Engagement so gut wie aktuell.

4. Louisville

Auch wenn die dort ansässigen College-Teams seit Jahren eine feste Größe im US-Sport darstellen, sind Louisville professioneller Sport bisher noch keine Erfolgsgeschichte. Noch nie gab es in der im Jefferson County gelegenen Stadt ein Team, das in einer der fünf großen amerikanischen Sportligen beheimatet war. Es liegt also auf der Hand, dass es für die 1,2 Millionen Menschen große Metropolregion allerhöchste Zeit ist, auch im Spitzensport mitzumischen. Außerhalb der NBA hat Louisville nämlich tatsächlich eine große Basketball-Historie. Die Universität der Stadt konnte in ihrer Geschichte schon zweimal den Titel einfahren. Zudem stellte Louisville während der kurzen Blütezeit der ABA (American Basketball Association) von 1967 bis 1976 ein Team ebendort. Und das sogar recht erfolgreich: Die Kentucky Colonels wurden 1975 League Champion und haben zudem drei Spielern zum Sprung in die Basketball-„Hall of Fame“ verholfen: Dan Issel, Artis Gilmore und Louie Dampier. Höchste Zeit also, die kurze Erfolgsgeschichte fortzusetzen.

3. St. Louis

Wie Las Vegas ist auch St. Louis eingebettet zwischen einigen namhaften NBA Teams: Die Thunder, Grizzlies, Bulls und Pacers haben ihre Heimat unweit der Stadt im US-Bundestaat Missouri. Dabei ist die Metropolregion von St. Louis mit 2.8 Millionen Einwohnern größer als die von Oklahoma (Thunder), Memphis (Grizzlies) und auch Indianapolis (Pacers). St. Louis war außerdem schon Heimat zweier weiterer Basketball-Franchises. Die „Spirits of St. Louis“ gingen in der ABA an den Start, wohingegen die St. Louis Hawks in der NBA auf Korbjagd gingen – bevor sie 1968 nach Atlanta weiterzogen. Während die Spirits den Zusammenschluss von ABA und NBA nicht überlebten, konnten sich die Hawks in der NBA durchaus einen Namen machten. In ihrem 13-jährigen Bestehen erreichten sie 12 mal die Playoffs, 1958 konnte man sogar den NBA-Titel nach St. Louis entführen. Nachdem der ganze Stolz der Stadt, die St. Louis Rams (American Football), 2015 nach Los Angeles weiterzogen, fiebern die Fans nun bereits einem neuen Profi-Klub entgegen. Ein passendes Stadion gäbe es mit dem Enterprise Center auch schon.

2. Las Vegas

Experten sind sich sicher: Vegas und die NBA? Das passt! Nachdem mit den Vegas Golden Knights schon ein Team der NHL in die Glücksspiel-Metropole gezogen ist und mit den Las Vegas Raiders ein NFL-Team bereits in diesem Jahr nachgezogen ist, wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Wüstenstadt auch Heimat eines NBA-Teams nennen darf. Zudem würde in der Stadt der Sünde schon ein Stadion zur Verfügung stehen – davon ausgegangen, die Golden Knights würden ihre Spielstätte teilen. Und die Fans? Wären ebenfalls in Scharen vorhanden. Mit den Kings, Warriors, Lakers, Clippers, Suns und den Jazz gibt es in unmittelbarer Umgebung von Las Vegas zahlreiche NBA-Franchises, für die die Bewohner „Sin Citys“ bislang mitfiebern müssen. Ein eigenes Team in der Stadt wäre – nicht nur aufgrund der vielen Casinos – ein absoluter Jackpot.

1. Seattle

Seattle ist für einen neuen Franchise-Standort aktuell der wohl ernsthafteste Kandidat. Die „Key Arena“ wird als mögliche Heimspielstätte des neuen Teams zumindest schon einmal für etwa 564 Millionen Dollar renoviert. In Seattle hat Basketball eine große Tradition: Von 1967 bis zu ihrem Umzug nach Oklahoma City im Jahr 2008 spielten dort die SuperSonics, die eine NBA-Championship (1979) und insgesamt drei Conference-Titel (1978, 1979, 1996) gewinnen konnten. Beim letzten Conference-Titel war auch der deutsche Kult-Spieler Detlef Schrempf auf dem Parkett aktiv. Darüber hinaus sind ganze acht „Hall of Famer“ für Seattle aufgelaufen. Darunter Legenden wie Gary Payton und Spencer Haywood. Was außerdem für die Stadt im US-Bundesstaat Washington spricht, ist die riesige Fan-Base, die trotz Umzug vor mehr als zwölf Jahren nach wie vor vorhanden ist. „Bring Back our Sonics“ hat alleine 23.000 Follower auf Twitter. Auch hat das Frauen-Basketball Team, die Seattle Storms, Jahr für Jahr einen der höchsten Zuschauerschnitte der WNBA. Der Umzug nach Oklahoma und das damit verbundene Ende des traditionsreichsten Standorts ist eines der meist diskutierten und streitbarsten Themen der jüngeren NBA-Geschichte – wohl nicht nur Basketball-Romantiker wünschen sich die grün-gelbe Traditionsfranchise, die 2007 Kevin Durant draftete, zurück.

 

Die Franchise-Chronologie der NBA:

ATLANTA HAWKS: Tri-Cities Blackhawks (1949-51); Milwaukee Hawks (1951-55); St. Louis Hawks (1955-68); Atlanta Hawks (1968-heute)

BOSTON CELTICS: (1946-heute)

BROOKLYN NETS: New York Nets (1976-77); New Jersey Nets (1977-2012); Brooklyn Nets (2012-heute)

CHARLOTTE HORNETS: Charlotte Hornets (1988-2002);Charlotte Bobcats (2004-14); Charlotte Hornets (2014-heute)

CHICAGO BULLS: (1966-heute)

CLEVELAND CAVALIERS: (1970-heute)

DALLAS MAVERICKS: (1980-heute)

DENVER NUGGETS: (1976-heute)

DETROIT PISTONS: Fort Wayne Pistons (1948-57); Detroit Pistons (1957-heute)

GOLDEN STATE WARRIORS: Philadelphia Warriors (1946-62); San Francisco Warriors (1962-71); Golden State Warriors (1971-heute)

HOUSTON ROCKETS: San Diego Rockets (1967-71); Houston Rockets (1971-heute)

INDIANA PACERS: (1976-heute)

LOS ANGELES CLIPPERS: Buffalo Braves (1970-78); San Diego Clippers (1978-84); Los Angeles Clippers (1984-heute)

LOS ANGELES LAKERS: Minneapolis Lakers (1948-60); Los Angeles Lakers (1960-heute)

MEMPHIS GRIZZLIES: Vancouver Grizzlies (1995-2001); Memphis Grizzlies (2001-heute)

MIAMI HEAT: (1988-heute)

MILWAUKEE BUCKS: (1968-heute)

MINNESOTA TIMBERWOLVES: (1989-heute)

NE W ORLEANS PELICANS : New Orleans Hornets (2002-05); New Orleans/Oklahoma City Hornets (2005-07); New Orleans Hornets (2007-13); New Orleans Pelicans (2013-heute)

NEW YORK KNICKERBOCKERS: (1946-heute)

OKLAHOMA CITY THUNDER: Seattle SuperSonics (1967-2008); Oklahoma City Thunder (2008-present)

ORLANDO MAGIC: (1989-heute)

PHILADELPHIA 76ERS: Syracuse Nationals (1949-63); Philadelphia 76ers (1963-heute)

PHOENIX SUNS: (1968-heute)

PORTLAND TRAILBLAZERS: (1970-heute)

SACRAMENTO KINGS: Rochester Royals (1948-57); Cincinnati Royals (1957-72); Kansas City-Omaha Kings (1972-75); Kansas City Kings (1975-85); Sacramento Kings (1985-heute)

SAN ANTONIO SPURS: (1976-heute)

TORONTO RAPTORS: (1995-heute)

UTAH JAZZ: New Orleans Jazz (1974-79); Utah Jazz (1979-heute)

WASHINGTON WIZARDS: Chicago Packers (1961-62); Chicago Zephyrs (1962-63); Baltimore Bullets (1963-73); Capital Bullets (1973-74); Washington Bullets (1974-98); Washington Wizards (1998-heute)

 

Text: David Stoll
Foto: Gettyimages