Als Coach hat er die deutsche Nationalmannschaft in ein goldenes Zeitalter geführt. Im exklusiven Interview erklärt Gordon Herbert seinen Drei-Jahres-Plan mit dem DBB, Gedanken ans Aufhören und warum das Team schon jetzt vor dem nächsten Umbruch steht.
Bundestrainer Gordon Herbert im großen BASKET-Interview
Dass es wenige Monate vor den olympischen Sommerspielen in Paris 2024 so herausragend um den deutschen Basketball stehen würde, hatten nicht viele Fans auf dem Zettel. Nach einer überraschend starken Europameisterschaft und Bronze folgte bei der Weltmeisterschaft die große Glanzstunde: Champions of the World! Ein Mann ist bis heute von seiner Mannschaft beeindruckt – jedoch keinesfalls groß überrascht. Ein ausgeklügelter Drei-Jahres-Plan geht auf. In erster Reihe mitgeplant von Bundestrainer Gordon Herbert. Auch wenn der Plan aufgeht: Der Erfolg hat ihn durchaus erstmal überrumpelt.
„Nach der WM war ich zwei Wochen lang in Finnland und zwei Wochen in Kanada. Erst als ich nach Deutschland zurückkam, wurde mir wirklich klar, was wir erreicht hatten. Wie Sie schon sagten: Die Leute haben nicht damit gerechnet“, beschreibt der 64-Jährige die Zeit nach dem historischen Triumph. Es war der zweite Schritt eines klar abgestimmten Weges, den der DBB, das Trainerteam und die Spieler gemeinsam vereinbart hatten. Dabei hätte alles ganz anders kommen können, wie Herbert weiter erklärt.
Vor vier Jahren habe ich daran gedacht, aufzuhören. Aber die Zeit mit diesen Spielern, dieser Gruppe und diesem Trainerstab hat mich jünger gemacht. Ich fühle mich wirklich jünger und bin motivierter. Ich halte mich an die Aussage, dass der Druck nicht größer sein darf als die Freude. Solange ich also Spaß an dem habe, was ich tue und die Spieler Spaß an dem haben, wie sie tun, würde ich gern weitermachen.
– Gordon Herbert im exklusiven BASKET-Interview
Für die olympischen Spiele gibt der Bundestrainer jetzt das Ziel einer Medaille offiziell aus – und hält das auch für realistisch: „Ich denke es gibt sieben Mannschaften bei den olympischen Spielen, vielleicht acht, die eine Medaille gewinnen können. Das Wichtigste ist ins Viertelfinale zu kommen“. Die dritte Medaille im dritten Turnier infolge ist eingeplant. Olympia soll der Klimax einer dreijährigen Reise eines Teams, welches sich dem gemeinschaftlichen Ziel verschrieben hat, den deutschen Basketball in eine erfolgreiche Ära zu führen.
„Wissen Sie, als ich diesen Job übernommen habe, habe ich über unsere Vision gesprochen. Darüber, dass wir drei Medaillen holen werden. Alle haben gelacht, denn Deutschland hatte seit – ich weiß nicht wie lange … keine Medaille mehr gewonnen. Aber ich habe nicht mit der Presse geredet. Ich habe zu den Spielern gesprochen. Ich habe ihnen eine Vision davon gegeben, wo wir hinwollen. Jetzt haben wir also zwei Medaillen. Eine müssen wir noch holen.
– Gordon Herbert im exklusiven BASKET-Interview
Ohne sie kommt selbst der beste Trainer der Welt nicht zu Erfolgen: Seine Mannschaft. Gordon Herbert hat es gemeinsam mit der DBB-Führung geschafft, einen essenziellen Kern der deutschen Baller für die Vision zu gewinnen. Bei Superstar Dennis Schröder, dem Berliner Bruder-Duo Franz und Moritz Wagner, bei Daniel Theis – bei allen ist das Commitment für die Nationalmannschaft über die Jahre 2022, 2023 und 2024 klar kommuniziert und festgesetzt worden. Dafür wurde auch zwischenmenschlich viel Überzeugungsarbeit geleistet. Sie hat sich ausgezahlt. Einen einzelnen X-Faktor will Herbert dabei allerdings nicht hervorheben. Loebende Worte für das Verhalten auf und neben dem Platz gibt es für alle.
Sei es für Kapitän Dennis Schröder, der sich „als Mannschaftskapitän und in seiner Führungsrolle wirklich weiterentwickelt“ und zu dem er ein wie er sagt sehr gutes Verhältnis ohne Konflikte pflegt. Sei es Franz Wagner, den er als „Silent Assassin“ bezeichnet und erklärt: „Wenn er spricht, bedeutet es was. Als wir vor der WM gegen die USA in Abu Dhabi verloren, kam er zu mir und sprach ein paar Dinge an. Wir haben einige Änderungen vorgenommen und acht Mal infolge gewonnen“. Aber auch die Rollenspieler hebt er hervor. Jo Voigtmann, Justus Hollatz, Maodo Lo, Johannes Thiemann – weil er jeder seine Rolle im Team genau erklärt und ausgefüllt hat, funktioniert das Teamgefüge als Ganzes. „Wir wählen ein Team aus Einzelpersonen. Menschen bekommen Jobs aufgrund ihrer individuellen Talente. Und jetzt nehmen wir diese Individuen und müssen ein Team aus ihnen machen. Die Frage ist also: Wie formen wir aus einem Haufen von Individuen ein Team?“, macht Herbert klar, woraus die Kernaufgabe vor der Europameisterschaft im eigenen Land 2022 bestand.
Siegquoten der letzten 10 DBB-Coaches
1 | Gordon Herbert | 82,1% |
2 | Emir Mutapcic | 73,3 % |
3 | Henrik Rödl | 62,8 % |
4 | Henrik Dettmann | 58,9 % |
5 | Ralph Klein | 58,5 % |
6 | Svetislav Pesic | 58,1 % |
7 | Dirk Bauermann | 55,4 % |
8 | Chris Fleming | 54,4 % |
9 | Vladislav Lucic | 46,4 % |
10 | Frank Menz | 43,3 % |
Man sollte die Spieler nicht anflehen, zu spielen. Wenn sie nicht spielen wollen, ist das in Ordnung. Wir nehmen lieber Spieler, die spielen wollen. Nach der EuroBasket wollten plötzlich alle spielen. Ich habe gesagt: Jetzt ist es ein bisschen zu spät. Nach den Olympischen Spielen fangen wir neu an …
– Gordon Herbert im exklusiven BASKET-Interview
16 bis 18 Spieler sind für die Vision verpflichtet worden. Eine Änderung vor Olympia durch die Zunahme anderer Spieler scheint unwahrscheinlich: „Mir geht es nur darum, dass wir uns mit diesen Spielern auf drei Jahre verpflichtet haben. Und wir haben noch einen Sommer. Das bedeutet auch, dass es keine großen Veränderungen in der Mannschaft geben wird.“
Viele dieser Spieler werden sich danach zurückziehen oder ein, zwei Jahre Pause machen. Denn es ist schwierig, elf Monate im Jahr zu spielen. Es würde mich überraschen, wenn ein Spieler wie Franz Wagner bei der EuroBasket 2025 spielen würde.
– Gordon Herbert im exklusiven BASKET-Interview
So zielstrebig die Vision des Drei-Jahres-Plans und so historisch die Erfolge – schon jetzt ist gewiss, dass es nach Olympia den nächsten Umbruch im DBB-Team geben wird. Neue Spieler werden ihre Chance bekommen. Wieder will Herbert versuchen, aus talentierten Spielern eine eingeschworene Einheit zu formen. Basketball-Deutschland wird wieder gespannt zuschauen.
Das komplette Interview mit Herberts Einschätzungen zur Entwicklung und der Nachwuchsarbeit in Basketball-Deutschland, seinen Umgang mit Egos, den Blick auf die NBA – und was Eishockey damit zu tun hat – gibt es in BASKET Ausgabe 02/24. Ab 16. Januar im Kiosk oder als Printausgabe oder ePaper im BASKET Online-Shop.
Das ganze Gespräch gibt es außerdem nachfolgend in der Supporter Area:
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Fotocredit: camera4+ / imago images /DBB; ISPO Munich
Text: Tobias Enke
Interview: Andreas Mayer
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