Ja, die Saison ist noch jung. Auch die der Warriors. Trotzdem: ein 13:0-Saisonstart gelingt nicht mal eben jedem NBA-Team –  nur vier andere Franchises haben dies in der Geschichte bisher zustande gebracht (Washington Capitals 1948/49, Boston Celtics 1957/58, Houston Rockets 1993/94, Dallas Mavericks 2002/03).  Folgende Frage drängt sich daher unvermeidbar auf: wie gut sind die Golden State Warriors wirklich? Können sie gar die mythisch anmutende und scheinbar unererreichbare 72:10-Spielzeit der „Unstoppabulls“ von 1995/96 knacken? In der vergangenen Saison waren Steph Curry und Co. nur fünf Spiele davon entfernt, blamierten selbst namhafte Gegner in der Regular Season reihenweise und standen am Ende mit 67 Siegen und mickrigen 15 Niederlagen da. Und jetzt? „Wir haben einen noch besseren Start erwischt als letztes Jahr und es wurde schon viel darüber geredet, dass wir insgesamt ein besseres Team sind. Es wäre unglaublich, 72 Siege zu erreichen, darauf wären wir sehr stolz. Wir möchten als Team einfach so gut sein, wie es irgend geht und wenn das bedeutet, dass wir am Ende 72,73 Siege einfahren – dann ist das eben so.“ Das was Curry da in einem Interview mit den San Jose Mercury News vor einigen Wochen von sich gegeben hat, ist beängstigend. Denn es zeigt, dass dieses Team nicht davor zurück schreckt und sehr wohl dazu imstande ist, Mitte April 2016 mit unmenschlichen 70 (oder sogar mehr) Siegen an der Spitze der NBA-Tabelle zu stehen. Doch dafür muss wirklich alles klappen.

1. Golden State muss gesund bleiben: Entgegen vieler anderer Teams, blieb Golden State 2014/15 weitestgehend ohne Verletzungen (nur David Lee musste zu Saisonbeginn 24 Partien vom Spielfeldrand verfolgen, außerdem verletzte sich Festus Ezeli am Knöchel). Currys immer mal wieder Probleme machenden Knöchel blieben hingegen stabil, ebenso wie die Körper aller restlichen Key-Player. Lee wurde mehr als überzeugend von Draymond Green vertreten, der flugs zum Starter avancierte und mittlerweile einer der besten Allrounder der Liga ist. Genau an diesem Punkt hat Doc Rivers ja auch ein bisschen Recht, wenn er sagt: „Die Warriors hatten Glück.“ Ja, dieses Glück braucht man eben auch. Denn das Fortune, gesund zu bleiben, ist in der heutigen NBA nicht selbstverständlich. Einige Stars der Warriors-Gegner waren in den 2015er-Playoffs verletzt: Allen voran Kyrie Irving und Kevin Love in den Finals, in denen selbst LeBron, der sich mit all seiner Manneskraft gegen die Krieger aus der Bay Area stellte, nichts an der letztendlichen 2:4-Niederlage seiner Cavs ausrichten konnte. Nur wenn auch in dieser Saison nichts schiefgeht und die Verletztenliste leer bleibt, kann Steve Kerrs Mannschaft anfangen, 70 (+) „Ws“ anzupeilen.

Stephen Curry ist momentan erneut in herausragender Form – und für den Erfolg seines Teams unverzichtbar.  Foto: getty images

2. Curry muss konstant bleiben: Dass Stephen Curry in den ersten Wochen Highlights produziert hat, die andere Spieler in einer gesamten Saison zustande bringen, dürfte kein Geheimnis sein und lässt eine weitere MVP-Season erahnen. Die Kontinuität und Konsequenz, die der Super-Shooter dabei an den Tag legt, ist am beeindruckendsten. Seine bisherige Punkteausbeute aus allen 13 Games: 40, 25, 53, 30, 31, 34, 24, 22, 28, 46, 34, 37, 40… Das alles wohlgemerkt bei einer Quote von 45,3% von jenseits der 7,24 Meter-Linie, sowie 52,0% aus dem Feld. Wenn die Nummer 30 so weitermacht, dann gute Nacht! Denn genau das ist es, was die Warriors benötigen, um sich erneut an die Ligaspitze zu katapultieren. Er ist nach wie vor ihr Schlüsselspieler, auch wenn Golden State über das Teamplay funktioniert. Neben einem verletzten Steph kann das Team aus Oakland nämlich einen Steph, der nicht liefert oder in einem „shooting slump“ steckt, am wenigsten gebrauchen. Dies ist angesichts der aktuellen Form des Point Guards allerdings kaum vorstellbar…

3. Die Teamchemie muss weiterhin stimmen: Die Gelb-Blauen gelten ligaweit als das wohl eingeschworenste und am besten eingespielte Team. Im Hinblick auf diesen Umstand ließ GSW auch in den bisherigen Spielen nicht die geringsten Zweifel aufkommen. Die Truppe ist so perfekt aufeinander abgestimmt, so perfekt ineinander greifend – und in der Summe einfach so unverschämt gut, dass es für jedes NBA-Ensemble eine Herkulesaufgabe ist und sein wird, gegen sie zu bestehen. Auch wenn Steve Kerr momentan noch nicht an der Seitenlinie steht, haben seine Spieler das System verinnerlicht und zelebrieren dieses mit einer angsteinflößenden Routine. Der Fakt, dass zu Saisonbeginn keine namhaften Abgänge (außer vielleicht Lee) zu verzeichnen waren, der amtierende Meister also beinahe das dritte Jahr in Folge mit identischer Besetzung aufläuft, unterstreicht zusätzlich, warum GSW so eingespielt ist. Was hinzu kommt: Die Spieler haben Spaß, verstehen sich prächtig untereinander – auf und neben dem Feld. Das beflügelt. Denn was gibt es Schöneres als Spaß beim Spielen und dann auch noch Erfolg zu haben?

Man sieht: zwei der drei Punkte scheinen die Warriors garnicht verfehlen zu können. Zu gut ist ihre aktuelle Form, zu dominant Curry. Der erste liegt, trotz aller Übermacht, letzten Endes nicht in ihren Händen. Auch wenn es sehr simpel klingen mag, aber wenn die Kalifornier hinter all die drei Punkte einen Haken setzen können, führt eigentlich kein Weg an einer erneuten Meisterschaft vorbei. Und auch die 72 Siege sind dann alles andere als utopisch…

 

Text: Gregor Haag