Unter der Leitung von Don Nelson legte das legendäre Warriors-Trio „Run TMC“ Anfang der 1990er Jahre in jeder Partie ein solches Offensivfeuerwerk auf das Parkett, dass viele Fans bis heute verzaubert sind. Und das obwohl Hardaway, Richmond und Mullin keine großen Erfolge vorzuweisen haben.
Die Golden State Warriors stehen heute wie kein zweiter Club für den Erfolg: Die drei gewonnenen Meisterschaften und fünf Finals-Teilnahmen in den vergangen Jahren unter Headcoach Steve Kerr sind jedem NBA-Fan noch gegenwärtig. Stephen Curry, Klay Thompson, Draymond Green, Kevin Durant und Andre Iguodala haben der Franchise aus der Bay Area, die 2015/16 mit einer Bilanz von 73:9 die Bestmarke der 1996er Bulls um Michael Jordan toppten, weltweit zu Ruhm verholfen. Ein echtes „Powerhouse“ waren die Warriors bereits unmittelbar nach ihrer Gründung, als sie von 1946 bis 1980 nur elf Mal überhaupt die Playoffs verpassten und mit Legenden wie Wilt Chamberlain und Rick Barry gar zwei Meisterschaften gewinnen konnten.
Doch 1980 sieht die Welt der Kalifornier plötzlich völlig trist aus: Die Golden State Warriors sind zur einer echten Lachnummer verkommen. Alles was die Franchise nun auszeichnet, sind miese Trades und schlechte Picks.
Und so dauert es bis zur Saison 1989/90 – also fast ein ganzes Jahrzehnt – ehe die Blau-Gelben wieder nationale Beachtung finden und bei ihren Anhängern für Euphorie sorgen. Die Ära der „Showtime Lakers“ geht allmählich ihrem Ende entgegen und die Regentschaft MJs wirft ihren Schatten voraus, als Headcoach Don Nelson mit einer eigenartigen, aber hochmodernen taktischen Kreation die NBA revolutioniert: zwei offensive Koryphäen und ein Point Forward, lautet sein unkonventioneller Ansatz. Eine Konstellation, die für heutige NBA-Fans vertraut klingen mag, damals jedoch völlig einzigartig ist.
Echte Pionierarbeit
Das spektakuläre Trio, dass für den neuartigen Smallball verantwortlich ist, hört in Anlehnung an das legendäre Hip-Hop-Kollektiv „Run DMC“ auf den Namen „Run TMC“. Hinter dem Kürzel verbergen sich die Anfangsbuchstaben von Tim Hardaway, Mitch Richmond und Chris Mullin. Mit unglaublicher Geschwindigkeit, blindem Verständnis und regelmäßigen 50-Punkte-Vierteln spielen sich die Drei nachhaltig in die Herzen des Publikums. Für gute Stimmung sorgt auch die Tatsache, dass es jedes Mal, wenn die Marke von 120 Zählern in einer Partie überschritten wird – damals ein absolutes High-Scoring-Game – für jeden in der stets ausverkaufte Oracle Arena Gratis-Pizza gibt.
„Heute erhält Mike D’Antoni die Anerkennung für das, was wir damals bereits gemacht haben“, sagte Hardaway 2018. „Er gilt als Erfinder des Smallballs, doch es war Don Nelson, der erstmals echten ,Run-and-Gun-Basketball’ spielen ließ.“
Der Grundstein für die kurze, aber eindrucksvolle Ära, die gerade einmal zwei Spielzeiten dauern wird, legt das Front Office der Warriors im Draft 1988. Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass sich die drittschlechteste Spielzeit der Franchise-Geschichte (22:60-Bilanz) als wahrer Glücksfall entpuppte wird: Im Draft ziehen die „Dubs“ an 5. Stelle den zukünftigen Hall of Famer Mitch Richmond, der von nun an an der Seite von Chris Mullin, dem schlaksigen Forward mit dem kurzgeschorenen Militärhaarschnitt, für Furore sorgte. Zudem ersetzen die Warriors Coach George Karl durch Pionier Don Nelson. Mit 22,0 PPS, 5,9 REB und 3,4 AS wird Richmond „Rookie of the Year“ und sichert Golden State damit die erste individuelle Auszeichnung seit dem Meisterjahr 1975, als Jamaal Wilkes zum besten NBA-Neuling und Rick Barry zum Final-MVPs ernannt wurden. Auch wenn die Warriors mit Mullin und Richmond 1988 in Conference Semifinals einziehen, wird Run TMC erst im Jahr darauf geboren. Mit dem 14. Pick sichern sich die Kalifornier das ersehnte Puzzleteil: Tim Hardaway.
Ein Rekord für die Ewigkeit
Mit unglaublichem Highspeed- und Highscoring-Basketball sind die Warriors sofort das Highlight aller NBA-Fans. Und dennoch ist es verwunderlich, dass das Trio noch heute einen solchen Legenden-Status besitzt. Denn Erfolg haben Run TMC nicht! Im ersten Jahr generieren Hardaway, Richmond und Mullin gemeinsam mit Mitspieler wie Manute Bol, Sarunas Marciulionis und dem Deutschen Chris Welp sogar ein negative Bilanz (37:45) und verpassen die Postseason. Zu häufig wird die Defense komplett vernachlässigt. Jeder Gegner soll „ausgescort“ werden. Das gefällt den Fans, nicht aber einem normalen NBA-Coach. Denn bekanntlich gilt im Basketball: „Offense wins Games, Defense wins Championsships“.
Doch Nelson ist kein normaler Coach. Er pfeift auf die Basketball-Weisheit und lässt auch im Jahr darauf seinen zügellosen und höchst attraktiven Offensiv-Stil spielen. Direkt zum Opener der Saison 1990/91 setzen Run TMC ein Ausrufezeichen: Die Liga von Ost bis West reibt sich verwundert die Augen, als Golden State die Denver Nuggets mit 162:158 schlägt. Und das wohl gemerkt in der regulären Spielzeit – ohne Overtime! Bis heute eine Bestmarke. Stolze 99 Zähler legt das von den Fans so geliebte Trio Mullin (38), Hardaway (32) und Richmond (29) auf.
Auch in dieser Saison gibt es, dem Spielstil geschuldet, Licht und Schatten. So stellt die Nelson-Truppe zwar die zweitbeste Offense der Liga (116,6 PPS), ist aber auch für die zweitschlechteste Verteidigung (115,0 PPS) verantwortlich. Nichtsdestotrotz gelingt als Siebter (44:38) der Einzug in die Playoffs, wo in der ersten Runde die Spurs um David Robinson locker mit 3:1 ausgeschaltet werden. In der darauffolgenden Serie gegen die Lakers ist Run TMC jedoch chancenlos. Und es wird abermals deutlich, dass dem Team neben guter Defense auch Tiefe im Kader fehlt. Trotz des Ausscheidens stimmt die Chemie zwischen den drei jungen Stars der Warriors. Das gilt auch heute noch: „Wir verbringen noch immer viel Zeit miteinander“, versichert Mullin im Rahmen der NBA-Finals 2019, die sich das Trio gemeinsam anschaute. „Wir sind Freunde fürs Leben. Wir blicken gemeinsam in die Vergangenheit und erinnern uns an viele großartige Momente.“
Ein schlimmer Fehler
Doch im Sommer 1991 passiert das, was weder Run TMC noch die Warriors-Fans für möglich halten: Da im Front Office die Meinung herrscht, dass „Run and Gun“ niemals Erfolg bringen kann, und stattdessen Defensiv-Power her muss, fädeln die Verantwortlichen einen Deal ein: Golden State tradet Mich Richmond Im Gegenzug kommt der Rookie Billy Owens, der die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen kann. Schnell stellt sich heraus, dass die Warriors, die einen defensivstarken Post-Up-Player suchten, einen limitierten Big Man, der lieber aus der Mitteldistanz agiert, verpflichtet haben. Zudem erweist sich der Ownes als äußerst trainingsfaul. Die Fans sind sauer und ihre geliebten Run TMC Geschichte. „Natürlich wären wir gerne länger zusammen geblieben. Wir hatten eine tolle Zeit mit den besten Fans der Welt“, resümiert Mullin im Juni 2019.
Eines der spektakulärsten Teams aller Zeiten wurde ohne Not auseinandergerissen. In den folgenden drei Jahren erreichen die Warriors noch zwei Mal die Playoffs, wo jedoch jeweils in der ersten Runde Feierabend ist. Der schleichende Niedergang ist offensichtlich. In einer katastrophalen Saison 1994/95 muss Don Nelson Anfang April seinen Hut nehmen. Anschließend bezeichnet er den Richmond-Trade als den größten Fehler seiner NBA-Laufbahn. Dass man Run TMC mehr Zeit hätte geben müssen, weiß nun nicht nur Nelson, den man offenbar zu diesem Trade überredet hatte. Nach seinem Abschied dauert es elf Spielzeiten ehe in Oakland wieder Playoff-Basketball bestaunt werden darf. 1996 verlässt dann auch noch Tim Hardaway, der Mann mit dem spektakulären Crossover, das Team Richtung Miami. Chris Mullin, der bereits seit 1985 das Jersey der Warriors überstreifte, verlässt das sinkende Schiff erst 1997. Auch wenn die Ära von Run TMC kurz war, so veränderte sie doch den Basketball für immer.
Autor: Markus Unckrich
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