Vorab: Jedes Jahr aufs Neue taucht es auf. Das eine Überraschungsteam, das sich entgegen vieler Vorhersagen an der Spitze der eigenen Conference wiederfindet. 2012/13 waren es die Memphis Grizzlies, die Ende November eine Bilanz von 10:2-Siegen vorweisen konnten. Und in der Lockout-Season standen die Philadelphia 76ers (9:3) nach zwölf Partien unerwartet gut dar.
Kein Wunder also, dass sich auch in diesem Jahr ein Underdog gefunden hat, der sich im Glanz des frühen Erfolgs sonnen kann. Es sind die Portland Trail Blazers. Mit zehn Siegen bei nur zwei Niederlagen und acht Erfolgen am Stück mischt die Franchise die Standings im Westen so richtig auf. In der US-Presse gehören dem Traditionsklub derzeit landesweit die Schlagzeilen. Und das ist zweifellos ein ungewöhnlicher Anblick, wenn man bedenkt, dass „Rip City“ vor mehr als 13 Jahren den letzten Sieg in einer Playoffserie feiern durfte (1999/00; 2. Runde mit 4:1 gegen Utah). Aus dem damaligen Team ist nur noch ein Akteur in der NBA aktiv – Jermaine O´Neal von den Golden State Warriors. Und ich gebe zu: es lässt sich darüber streiten, ob man bei seiner Krankenakte von aktiv sprechen kann, aber das ist ein anderes Thema.
Portlands Erfolgszeiten liegen weit zurück und daher wirft der starke Saisonstart nur eine Frage auf: Sind die Portland Trail Blazers for real?
Zunächst mal bleibt festzuhalten, dass Portland bereits sechs Mal auswärts gewinnen konnte. Für ein Team, das die letzte Saison mit einer Bilanz von 4:19 in fremden Hallen beendet hat, kein schlechtes Omen. Ferner präsentiert sich die Bank der Blazers mit einer Wurfquote von 46,1 Prozent (NBA Rang 5) als äußerst treffsicher. Warum das von Interesse ist? Im letzten Jahr konnten die treuen Blazers-Anhänger Limonade und Burger kaufen gehen, wenn die Reservespieler aufs Parkett kamen. 39,9 Prozent Trefferquote brachten sie zu Stande, stellten damit den zweitschlechtesten Wert der Liga und lieferten einen Grund dafür, warum Portland zum zweiten Mal in Folge die Playoffs verpasste. Dieses Problem scheint nicht zuletzt wegen eines überragenden Mo Williams (10,1 PPS, 5,0 APS und 46,0 % FG) vorerst bereinigt zu sein. Doch nicht nur die Bank, auch die Starter feuern aus allen Rohren. Mit LaMarcus Aldridge, Damian Lillard, Wesley Matthews und Nicolas Batum punkten gleich vier Starter zweistellig. Die letzten Dreier haben dabei schon jeweils über 25 Dreier versenkt. Allen voran Wesley Matthews ist mit 33 von 66 Treffern von Downtown heiß wie frittenfett.
Doch bekanntlich ist nicht alles Gold, was glänzt und damit wären wir beim Haken der bisherigen Erfolgsstory der Blazers. Acht der zehn Siege kamen gegen Teams mit einer negativen Bilanz (darunter zwei Mal die Kings und je einmal die Suns und Celtics!). Der einzige wirkliche Achtungserfolg war der 115:105-Heimsieg über die Spurs. Und Portland gewinnt gefühlt immer gegen San Antonio, entschied 13 der letzten 18 Aufeinandertreffen für sich. Um das Potential der Blazers wirklich beurteilen zu können benötigt man folglich Härtetests gegen bessere Teams und die stehen für das Team von Headcoach Terry Stotts unmittelbar bevor. Freitag empfängt man die Chicago Bulls und Samstag tritt man zum Back-to-back-Spiel in Oakland bei den Warriors an. Dort wird sich dann die wahre Stärke „Rip Citys“ zeigen.
Bis dahin bleibt festzuhalten: Portlands Spielstil – das lässt sich nach ausgiebiger League Pass-Studie (ja, die Blazers sind wieder wer) sagen – ist erfrischend. Mit Damian Lillard (Rookie of the Year 2013) und LaMarcus Aldridge (All-Star 2012 und 13) verfügen die Blazers über zwei Akteure, die an jedem Abend 20 Punkte oder mehr auflegen können. Dabei ziehen sie ununterbrochen die Fäden im Offensivspiel. Besonders gefährlich: Das Pick-and-Pop, da Aldridge wohl den sichersten Midrange-Jumper aller NBA-Big-Men besitzt. Verhindert der Gegner diese Variante, kann Lillard immer noch seinen eigenen Abschluss suchen. Schafft er das wider Erwarten nicht, so warten wie erwähnt gefährliche Schützen an der Dreierlinie. Und die Blazers präsentieren sich trotz der Fixierung auf ihre zwei gefährlichsten Waffen als durchaus selbstlose Mannschaft. In vielen Situationen spielen sie den Extra-Pass und bekommen damit einen noch besseren Wurf. Doch was passiert, wenn es einer guten Defensive gelingt die beiden Stars zu kontrollieren? Und was passiert, wenn Nic Batum oder Wes Matthews mal in einen Shooting Slump geraten? Die Blazers erzielen kaum Punkte aus dem Fastbreak heraus (10,3 PPS, Rang 27) und attackieren auch nicht pausenlos das Brett (20,2 Freiwürfe pro Spiel, Rang 25) und somit wird es gegen die Top-Teams mit dem oben aufgeführten Set-Play-Optionen eher schwer.
Doch das alles wird sich in den nächsten Wochen zeigen und bis dahin bleiben die Blazers zweifellos ein „team to watch“. Zehn Siege haben sie bereits auf der Habenseite und die Playoffs sind trotz starker Konkurrenz kein utopisches Ziel. Dem Club sei es aufgrund sympathischer Spieler und einer tollen Fan-Gemeinde gegönnt. Denn irgendwo lieben wir es doch. Dieses eine Überraschungsteam, das mal wieder niemand so recht auf dem Zettel hatte.
Hinterlasse einen Kommentar