In der ersten Runde lag ich mit meinen Tipps bei vier Serien daneben. Das ist natürlich alles andere als erfreulich. Was war das aber auch für eine erste Runde? Die New Orleans Pelicans holten den Besen raus und schickten die Portland Blazers ohne einen einzigen Sieg in den Urlaub.
Die Philadelphia 76ers zerstörten Miami mit 4:1. Die Heat werden sich diesen Sommer auf dem Transfermarkt umschauen müssen, denn mehr als das Erreichen der Playoffs ist offensichtlich mit dieser Truppe nicht drin. Zu wenig für die erfolgsverwöhnte Franchise.
Die Milwaukee Bucks haben in Spiel sieben in Boston gezeigt, dass sie in der Halbfeld-Offense einfach zu unstrukturiert und unerfahren sind. Boston dagegen ist sehr gut gecoacht. Trotz eines stark dezimierten Kaders (ohne Kyrie Irving, Gordon Hayward und Daniel Theis) darf man die Celtics nie abschreiben.
Für mich war enttäuschend, wie sich die Thunder von den Utah Jazz verprügeln ließen. Das soll die Leistung von Donovan Mitchell und seinen Teammates nicht schmälern. Die Jazz sind als Team aufgetreten und hatten mit Mitchell einen Rookie in ihren Reihen, wie ich ihn seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Allerdings muss sich OKC die Frage gefallen lassen müssen: Was ist bitte mit Carmelo Anthony los? Der muss diesen Sommer Gas geben und körperlich fitter werden oder in Rente gehen. Auch ein Paul George scheint nicht perfekt mit Russell Westbrook zu harmonieren, besonders nicht, wenn es darauf ankommt. Diesen Sommer hat George eine schwere Entscheidung zu treffen. Verlässt PG-13 Oklahoma in Richtung Heimatstadt Los Angeles oder greift der 27-Jährige noch mal mit Westbrook & Co. an?
Die Cleveland Cavaliers sind dank einer unglaublichen Energieleistung ihres Megastars LeBron James gegen die Indiana Pacers noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen. Die Cavs benötigten dazu allerdings sieben Spiele. Am Ende kann man wohl dazu nur sagen „Wohl dem, der einen LeBron hat“.
Die Houston Rockets, Golden State Warriors (ohne Steph Curry) und Toronto Raptors gaben sich dagegen keine Blöße.
In der nächsten Runde trennt sich die Spreu vom Weizen. Ich sehe bei den Best-of-Seven Serien im Westen keine großen Probleme für die Favoriten. Golden State Warriors und die Houston Rockets sind bereit. Nur hinter der Genesung Stephen Currys steht weiterhin ein Fragezeichen. Selbst wenn der zweimalige MVP wieder auf dem Court stehen sollte, fehlt ihm sicherlich noch der Spielrhythmus. Trotzdem sage ich: Es wird zum großen Showdown kommen, auf den sich alle Basketballfans freuen. Ich nenne diese zweite Playoff-Runde die Eintrittskarte zum vorgezogenen Finale. Diese Tickets wird Golden State mit 4:1 gegen die New Orleans Pelicans lösen, und die Houston Rockets werden mit 4:1 gegen die Utah Jazz gewinnen.
Interessant und offener sind dagegen die Serien der Eastern Conference. Die Toronto Raptors haben die vielleicht letzte Chance, nicht als Playoff-Lachnummer abgestempelt zu werden, indem sie endlich mal die Cleveland Cavaliers aus dem Rennen zu werfen. Gegen LeBron James zu wetten, ist normalerweise keine gute Idee. Aber ich bin der Meinung, die Raptors werden dieses Mal den „King“ entthronen. Toronto hat Heimvorteil und dürfte gut ausgeruht sein. Es könnte mitunter eine lange Serie werden. In Spiel 6 oder 7 wird Toronto dann aber den Sack zumachen. LeBron bekommt zu wenig Unterstützung von seinen Mitspielern, und Toronto hat mit Jonas Valanciunas und Serge Ibaka zwei Biester unter dem Korb, die LeBron besonders defensiv zu schaffen machen werden. Im Verlauf der Serie wird dieses physische Duo LeBron immer mehr zusetzen, vergleichbar mit Körpertreffern bei einem Boxer. DeMar DeRozan und Kyle Lowry müssen allerdings endlich zeigen, dass sie auch auf diesem Niveau ein Team offensiv führen können. Sollten sie das wieder mal nicht schaffen, sind sie ihr Geld nicht wert!
Besonders freue ich mich persönlich aber auf die Serie der Boston Celtics gegen die Philadelphia 76ers. Eine alte Rivalität, die zurück geht bis in die 80er Jahre, als die Sixers Superstars Julius Erving a.k.a. Dr. J. und Moses Malone gegen Celtics Legenden Larry Bird und Kevin McHale unzählige Playoff-Schlachten geschlagen haben.
Die Zeiten und die Namen auf den Trikots haben sich natürlich geändert, aber die Rivalität ist geblieben. Sixers Center Joel Embiid ist auf dem Weg zum absoluten Franchise Player. Ich habe tatsächlich nicht damit gerechnet, dass der 24-Jährige trotz eines gebrochenen Gesichtsknochens in seinen ersten Playoffspielen so auftrumpfen würde. Ben Simmons, ein Guard, der keine Dreier werfen kann, ist ebenfalls überraschend stark. Dem jungen Team zuzuschauen, ist eine Augenweide.
Wie Boston die Matchup-Probleme gegen Embiid und Simmons lösen will, ist mir derzeit noch ein Rätsel, aber wenn einer eine Antwort hat, dann ist es Celtics Coach Brad Stevens. Boston hat den Heimvorteil und unglaublich enthusiastische Fans. Sixers Forward Ersan Ilyasova bemerkte bereits richtigerweise, dass das Publikum in Boston nicht so leise sein wird wie das in Miami. Ich war selbst schon Zeuge der Stimmung im TD Garden. Da verstehst Du vor lauter Geschrei teilweise Dein eignes Wort nicht mehr.
Ich rechne mit einer sehr intensiven Spielweise beider Teams. Boston muss den vielen Ausfällen aber irgendwann einfach Tribut zollen. Deswegen sehe ich am Ende die Sixers in das Eastern Conference Final einziehen. Mein Tipp: 4:2 Philadelphia
Der Autor:
Dean Walle ist Basketball-Journalist in den USA und schreibt direkt aus den Staaten für BASKET. Mit spitzer Feder und sportlichem Sachverstand nimmt er die Geschehnisse der besten Basketball-Liga der Welt in seiner neuen BASKET-Kolumne unter die Lupe.
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