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Ja Morant – The Real Deal? JA!

Dass Ja Morant ein außergewöhnlicher Spieler ist, hat der Highflyer bereits in den vergangen zwei Jahren bewiesen. Diese Saison bewegt sich der Franchise-Player der Grizzlies aber nochmal in ganz anderen Sphären. Er ist endgültig in der Spitze der besten NBA-Guards angekommen. Die Gründe sind vielschichtig…

Style-Punkte sammelt Morant bei seinen Dunks nicht nur aufgrund der flatternden Haare. (Foto: Joe Murphy/NBAE via Getty Images)

An Selbstvertrauen mangelt es Ja Morant nicht. Dieser Umstand an sich wäre kaum einer Erwähnung wert. Schließlich gehört der Glaube an die eigene Stärke in der NBA fast schon zur Voraussetzung, um dort überhaupt anzukommen. Als der Franchise Player der Memphis Grizzlies nach seiner Sophomore-Saison in einem Interview vor Beginn der 2021/22er Saison allerdings zu Protokoll gibt, dass er sich zu den Top-5 der besten Point Guards zählt, zweifelt der ein oder andere Experte allerdings an der Selbsteinschätzung des gerade mal 22-Jährigen. Luka Doncic, Steph Curry, Damian Lillard, James Harden, Chris Paul, Trae Young… die Liste der Playmaker, die der Nummer 12 der Grizzlies diesbezüglich Konkurrenz macht, scheint zu diesem Zeitpunkt doch etwas zu lang und zu prominent, als dass ein „Greenhorn“ wie Morant es mit ihnen aufnehmen könnte.

Ja Morant lässt seinen Worten Taten folgen

Arrogante Selbstüberschätzung? Mangelnder Respekt gegenüber seinen NBA-Kollegen? Oder einfach nur das Wissen um die eigene Stärke? Klar ist: Wer solche Aussagen tätigt, steht fortan auf dem Prüfstand. Und weil es ohnehin so viel Spaß macht, ihm zuzuschauen, stand der Einser der Grizzlies zu Beginn der Saison folglich unter besonderer Beobachtung.

Wenige Monate später allerdings müssen Kritiker wohl eingestehen: Temetrius Jamel Morant hat seinen Worten bislang Taten folgen lassen – und spielt wie ein Top-5 Point Guard der NBA! Seine Statistiken und auch der „Eye-Test“ lassen keine Zweifel zu. Der ehemalige Murray State Racer hat sein Spiel auf ein neues Level katapultiert. 40 Punkte gegen die Lakers, 30 gegen Curry und die Warriors, 33 gegen die Wolves und 32 gegen die Hornets.

Ja Morant macht genau da weiter, wo er im Play-In-Turnier sowie in der darauffolgenden Erstrundenserie gegen die Utah Jazz aufgehört hat. Im Durchschnitt pro Spiel liest sich das so: 25,5 PPS bei 47,9 Prozent aus dem Feld, 7,0 AS, 5,8 REB und 1,5 ST in 33,9 Minuten. Außer bei den Vorlagen legt Ja Morant in seinem dritten NBA-Jahr bislang in allen relevanten Stats Karriere-Bestmarken auf.

Fast noch beeindruckender als die nackten Zahlen ist allerdings die Art und Weise, wie der High-flyer die gegnerischen Defensivreihen Nacht für Nacht vor unlösbare Probleme stellt. Mit seinem unnachahmlichen Speed und der unfassbaren Sprungkraft liefert der 1,91-Meter-Mann Highlight-Reels am laufenden Band ab. Hinzu kommt seine exzellente Übersicht und das bereits in jungen Jahren sehr gute Decision-Making.

Mit dem Ball in der Hand ist Ja Morant, hier im Spiel seiner Memphis Grizzlies gegen die Golden State Warriors, fast nicht zu stoppen. (Foto: Ezra Shaw/Getty Images)

Doch was genau macht Ja Morant dieses Jahr so viel besser als in der letzten Spielzeit, in der er zwar auch gute Zahlen auflegte (19,1 PPS, 7,4 AS, 4,0 REB), aber sicher noch nicht zu den Top-5-PGs der Liga gehörte? Wo hat er sich verbessert, was hat er umgestellt? Und warum klickt es dieses Jahr so gut bei ihm und den Grizzlies?

In der Zone ist Ja Morant nicht zu stoppen

Die Antworten auf diese Fragen sind vielschichtig, als wesentlicher Aspekt ist aber zunächst das häufige und unglaublich effiziente Penetrieren der Zone auszumachen. Während sich in der modernen NBA alles um den Dreier zu drehen scheint, startet Morant seine ganz eigene Revolution und nutzt den Platz, der sich durch das ganze Spacing ergibt, gnadenlos aus. Lay Ups, Dunks, Floater – der mit 1,91 Meter für NBA-Verhältnisse kleine Guard attackiert den Korb furchtlos und immer wieder. Wohl wissend, dass er ein ganzes Arsenal an Abschlüssen in seinem Repertoire hat.

Dank seiner unglaublichen Agilität und Hangtime entscheidet er bezüglich seines Abschlusses oft erst in letzter Sekunde, was ihn für gegnerische Defensiv-Anker zum Albtraum macht. Seine mehr als neun Punkte durch Dunks und Lay Ups nach dem Drive sind Ligaspitzenwert – vor allem angesichts seiner Größe extrem beeindruckend. Im Herzen der gegnerischen Defense, sprich in der Zone, sind es insgesamt knapp 15 PPS. Hier kommt Morant sein starker Floater zugute, den kaum ein Spieler in dieser Saison noch öfter einsetzt als er.


In the Zone

Die besten Scorer in der Zone sind in der NBA traditionell Big Men sowie Flügelspieler. Ja Morant bildet hier eine Ausnahme, wie seine beeindruckenden Zahlen in der laufenden Spielzeit beweisen.

SpielerPositionPunkte in der Zone
1.Ja MorantPG14,8
2.Nikola JokicC14,6
3.Anthony DavisF/C14,2
4.Giannis AntetokounmpoF14
5.Deandre AytonC13,1
6.Montrezl HarrellC/F12,5
7.Jimmy ButlerF12,3
8.Domantas SabonisF/C12,2
9.Bam AdeyamoC12,0
10.Tobias HarrisF12,0

Ja Morant ist nicht nur die Nummer 1 bei Punkten in der Zone, sondern auch der einzige Point Guard in den Top-10.

Nochmal zur Einordnung dieser Zahlen: Noch nie hat ein Guard die NBA in der Kategorie „points in the paint“ angeführt. Ja Morant allerdings tut genau dies aktuell. Zwar gab es auch vor dem Grizzlies-Star Backcourt-Spieler wie Dwyane Wade oder Prime Derrick Rose, die für aggressive Drives berühmt wurden. Jedoch keiner von ihnen kommt an die Werte, die Ja Morant diese Saison auflegt, heran.

„Ich habe mir vorgenommen, dieses Jahr aggressiver zu sein und die Räume zu nutzen, die mir die gegnerische Defense gibt. Das ist mein Fokus, bis jetzt war ich sehr effektiv damit“, bilanziert der Memphis-Guard. Das müssen auch gegnerische Coaches wie James Borrego neidlos anerkennen. „Wie er den Weg zum Korb findet, das ist schon elitär. Er setzt deine Defense permanent unter Druck, weil er jede Nacht unzählige Mal völlig furchtlos attackiert“, so der Hornets-Trainer.

Ja Morant, der Anführer und Coach auf dem Court

Ein weiterer Aspekt seines verbesserten Spiels lässt sich unter dem Begriff Reife zusammenfassen. Zum einen entpuppt sich der 22-Jährige in seinem erst dritten NBA-Jahr bereits als verlängerter Arm seines Trainers Taylor Jenkins. Zum anderen profitiert er gerade als Playmaker von seinem extrem hohen Basketball-IQ. „Auf dem Platz ist er unser Coach“, berichtet Teamkollege Jaren Jackson Jr., „unser Trainer kommuniziert mit ihm und Ja gibt es an uns weiter. Er spricht unheimlich viel. Selbst wenn er auf der Bank sitzt, teilt er immer wieder seine Gedanken mit, wenn ihm etwas auffällt. Wir Spieler wissen, dass wir zu jeder Zeit zu ihm gehen können und einen Rat bekommen werden.“

Ja Morant (l.) von den Memphis Grizzlies spricht mit Head Coach Taylor Jenkins während des Spiels des Play-in-Turniers gegen die San Antonio Spurs im FedExForum am 19. Mai 2021 in Memphis, Tennessee. (Foto: Justin Ford/Getty Images)

Reifeprozess macht Ja Morant zum besseren Spieler

Taylor Jenkins und seine Mitspieler vertrauen ihrem Franchise Player – weil er ihnen bewiesen hat, dass er das Spiel zu jeder Zeit lenken kann. Dank unzähliger Stunden Videoanalyse, weiß Ja Morant genau, was jeder einzelne Mitspieler zu welchem Zeitpunkt tut oder nicht tut. Auch die offensiven und defensiven Stärken und Schwächen des jeweiligen Gegners studiert er akribischer als je zuvor. Das hat zur Folge, dass sich das Spielverständnis des „Rookie of the Year 2020“ im Vergleich zu den Vorjahren noch einmal verbessert hat. Zwar kann er jederzeit den Highspeed-Button aktivieren, muss es aber nicht zwangsläufig. Denn mittlerweile hat er genug Geduld und Ruhe, um Setplays entwickeln zu lassen und auf eine Schwachstelle der gegnerischen Verteidigung zu warten.

„Ich bin auf die Verteidigungen der Gegner vorbereitet. Alles was ich tue, ist, den Gegner zu lesen. Dadurch kann ich ihnen auf dem Court einen Schritt voraus sein. Als Point Guard musst du in der Lage sein, deinem Coach und deinen Teammates mitzuteilen, was du auf dem Feld siehst“, so Morant. Kein Wunder also, dass der „Young King“, wie ihn Kyrie Irving vor rund einem Jahr taufte, nicht nur bei den Punkten pro Spiel in der Top-10 der Liga zu finden ist, sondern auch bei den Assists sowie beim Player Efficiency Rating.

Endlich gefährlich von draußen

Der PER-Wert deutet darauf hin, dass Morant seine gesamte Performance im Vergleich zur Vorsaison deutlich gesteigert hat. Das gilt auch für sein Shooting von jenseits der Dreierlinie. Mit über fünf Versuchen hat der vielleicht jetzt schon spektakulärste Spieler der Franchise-Geschichte nicht nur sein Volume deutlich hochgeschraubt, er trifft den „Triple“ auch ca. sechs Prozent sicherer als 2020/21.

Eine Steigerung war bei 30,3 Prozent zwar auch dringend notwendig, wenn Morant auf Dauer von „Downtown“ verlässlich liefern will, dass es ihm zu Beginn der neuen Spielzeit aber so schnell gelingt, diesen Wert anzuheben, dürfte die Konkurrenz mit schlotternden Knien zurücklassen. Gelingt es Morant, zukünftig sogar an die 40 Prozent heranzukommen, bleibt er an guten Tagen praktisch „unguardable“.

Im Grunde ist er das fast jetzt schon. Sein Spiel wirkt gleichermaßen spektakulär wie effizient, Morant zeigt selbst vor den besten NBA-Defensivteams keinerlei Respekt, wie er in der Playoff-Serie gegen die Jazz unter Beweis stellte. Das verleitet so manchen NBA-Journalisten sogar dazu, ihn dank einiger Gemeinsamkeiten in Sachen Größe, Furchtlosigkeit, Spielstil und Style bereits in einem Namen mit Allen Iverson zu nennen. Das mag etwas übertrieben sein, spielt aber im Grunde auch keine Rolle.

Play-offs? All-Star? Im Moment scheint alles möglich

Fakt ist, Ja Morant spielt bislang eine mehr als respektable Saison und trägt maßgeblich dazu bei, dass die Memphis Grizzlies in diesem Jahr nicht nur richtig Spaß machen, sondern möglicherweise sogar um einen direkten Playoff-Platz mitspielen werden. Geht es so weiter, dürfte die erste Einladung zum All-Star-Game nicht mehr lange auf sich warten lassen. In Memphis jedenfalls sind sie mittlerweile heilfroh, dass das Losglück für den 2019er Draft den New Orleans Pelicans hold wahr. Denn aktuell stellt man sich eher bei Nr. 2-Pick Ja Morant als beim einst als „Jahrhunderttalent“ gefeierten Zion Williamson die Frage, wie gut dieser Spieler eigentlich noch werden kann.

„Meine Ziele für diese Saison sind, erstens besser als die letzten beiden Jahre zu spielen, zweitens All Star zu werden und drittens es in ein All-NBA-Team zu schaffen“, sagte Morant vor Saisonbeginn. Scheint so, als könnte der einzige Spieler in der NBA, dessen Haarpracht seine krachenden Dunks fast in den Schatten stellt, im Sommer 2022 hinter alle Vorhaben einen Haken machen. Fest steht hingegen schon jetzt im Winter – Ja Morant ist „The Real Deal“!

Dieser Text erschien zuerst in Basket 01/22

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