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Legenden und Leidenschaft

Vor exakt zehn Jahren verabschiedete sich mit den Seattle SuperSonics eine der legendärsten Franchises aller Zeiten aus der NBA. BASKET schwelgt wehmütig in Erinnerungen, richtet den Blick jedoch auch nach vorne, denn die Vögel zwitschern Spannendes von den Dächern.    

Von 1967 bis 2008 waren sie fester, nicht wegzudenkender Bestandteil der NBA – die Seattle SuperSonics. Doch 2006 verkaufte Howard Schultz, damaliger Mehrheitseigner der Sonics und Starbucks-CEO, die legendäre Franchise an eine Business-Group aus Oklahoma City. Schultz nahm damals an, die neuen Owner um Clay Bennett würden die Organisation in Seattle halten wollen. Doch er irrte sich. Die SuperSonics waren auf einen Schlag Geschichte – und die Oklahoma City Thunder aus der Taufe gehoben.

Auch zehn Jahre später haben die Fans das Verschwinden ihres geliebten Teams noch immer nicht verkraftet. Wie könnten sie auch? Zu viele Erinnerungen, zu viele Geschichten haben sie mit ihrer grün-gold-weißen Liebe erlebt. Dreimal stand Seattle in den NBA-Finals und gewann 1979 mit Finals-MVP Dennis Johnson und Topscorer Gus Williams sogar die Larry O’Brien Trophy.

Gary Payton gehört zu den größten Legenden der Sonics-Franchise.
Foto: getty images

Die glorreichen Neunziger

Während sich jüngere Basketball-Fans wohl nur vage an die Sonics erinnern – oder wenn, dann vor allem an die überragende Rookie-Saison Kevin Durants – verbinden NBA-Anhänger über 30 hingegen vor allem die großartigen neunziger Jahre mit der Franchise aus dem kühlen Nordwesten: Erinnerungen an eine goldene Ära mit den Protagonisten Gary Payton, Shawn Kemp und dem Leverkusener Detlef Schrempf ploppen unvermittelt auf, wenn das Stichwort „Seattle SuperSonics“ fällt: Paytons grandiose Steals, die ihm den Spitznamen „The Glove“ einbrachten. Kemps krachende Dunks, mit denen er es seinerzeit mit jedem Highflyer der Liga aufnehmen konnte, laufen unwillkürlich vor dem inneren Auge ab. Hinzu kommt Detlef Schrempf, der sich insbesondere mit starkem Wurfarm, Allrounder-Fähigkeiten und Bürstenhaarschnitt in die Hirne einbrannte – und das zu einer Zeit, als Deutschland noch Basketball-Entwicklungsland war.

1996 schaffte es dieses Trio mit idealen Kaderergänzungen, wie dem erfahrenen Sam Perkins und Shooting Guard Hersey Hawkins, bis in die NBA-Finals. Gegner waren damals Michael Jordans Chicago Bulls. Allerdings war Seattle trotz einer überragenden Regular-Season-Bilanz von 64:18, wie zuvor Magic Johnsons Lakers (1991), Clyde Draxlers Trail Blazers (1992), Charles Barkleys Suns (1993) und anschließend John Stocktons und Karl Malones Jazz (1997, 1998) weitgehend chancenlos gegen die Dominanz des GOAT. Dennoch gelingt es den Sonics sich mit der legendären Finalserie tief im Bewusstsein vieler Basketball-Fans zu verankern. Und jeder Zocker weiß: Noch heute darf die vielleicht schillerndste aller Sonics-Truppen nicht bei den „NBA2K-Classic-Teams“ fehlen.

Der Rivale aus der Hauptstadt

Doch bereits vor Payton, Kemp und Schrempf haben die Sonics Geschichte geschrieben. Die Historie der Sonics ist voll von außergewöhnlichen Momenten und Anekdoten: So hatten die SuperSonics in ihrer Anfangszeit mit Lenny Wilkens, was heute undenkbar wäre, von 1969-1972 einen Spieler-Trainer. Doch trotz der großartigen individuellen Leistung von Wilkens und Spencer Haywood dauerte es noch bis zur Saison 1974/75 ehe sich die SuperSonics erstmals für die Postseason qualifizieren konnten. In den Folgejahren ging es Schritt für Schritt aufwärts für die Franchise aus dem Bundesstaat Washington.

1978 war es dann soweit: Seattle stellte mit nur 102,9 gegnerischen Punkten die zweitbeste Defense der Liga. Gus Williams war mit 2,34 Steals der zweitbeste Balldieb der NBA und Marvin Webster rangierte sowohl in der Block- (1,98 BL) als auch in der Rebound-Kategorie (12,6 REB) auf dem neunten Platz. Diese Defensivstärke führte die Sonics erstmals in ihrer Geschichte in die NBA-Finals. Nach leidenschaftlichem Kampf unterlag Seattle jedoch den Washington Bullets und deren übermächtigem Big-Man-Duo Wes Unseld und Elvin Hayes in sieben Spielen.

Im Jahr darauf, 1979, folgte dann aber die Revanche. Abermals hieß der Endspielgegner Washington. Nach einer knappen 96:98-Niederlage zum Auftakt der Finals wurden böse Erinnerungen ans Vorjahr wach. Doch was dann passierte, ist wohl das Glorreichste, was die Fans der Franchise während des 41-jährigen Bestehens ihres Klubs je erleben durften. Die „Caps“ wurden mit einem souveränen 4:1-Erfolg abgefertigt und die Championship ging zum ersten und auch einzigen Mal nach Seattle. Die unvergessene Starting Five bildeten im Backcourt Gus Williams und Dennis Johnson, auf den Flügelpositionen ergänzten sich Lonnie Shelton und John Johnson und auf der Center-Position dominierte Jack Sikma. Und auch auf der Bank hatte die Meistermannschaft mit Rebound-Ass und Routinier Paul Silas und Dreierspezialist Fred Brown hochkarätige Schlüsselspieler zu bieten.

Zu einer dritten Finalteilnahme in Serie kam es allerdings nicht. 1980 scheiterten die Sonics als amtierender Meister in den Western Conference Finals deutlich mit 1:4 an den Lakers. Bis zu einem erneuten, so tiefen Playoff-Run mussten die Fans der Grün-Gold-Weißen bis 1987 warten. Führungsspieler der Sonics-Mannschaft, die Ende der Achtziger erneut an den „Showtime Lakers“ verzweifelte, waren Tom Chambers, der in jenem Jahr MVP des All-Star-Games wurde, und Dale Ellis, der zu diesem Zeitpunkt den Award des „Most Improved Player“ inne hatte.

Hoffnungsvoller Blick in die Zukunft

Team-Ikone Spencer Haywood, dessen Jersey 2007, also kurz vor Franchise-Ende, unters Hallendach gezogen wurde, sagte im Rahmen des Martin-Luther-King-Tages 2018: „Die Sonics leben weiter. Und vertraut mir, sie werden wieder kommen, schon bald sogar.“ In der Formulierung der 68-jährigen Big-Man-Legende schwingt selbstverständlich neben jeder Menge Pathos, auch eine gehörige Portion Hoffnung mit. Doch der ABA-MVP von 1970, der einst, getrieben von existenzieller Armut, nicht hinnehmen wollte, dass jeder Spieler bindend für vier Jahre unentgeltlich am College verbringen musste und sich daraufhin erfolgreich in die NBA klagte, weiß wovon er spricht.

Denn die NBA plant tatsächlich für das Jahr 2022, die Liga um zwei Teams zu erweitern. Das Problem aus Sicht des Stadtortes Seattle ist jedoch, dass die Metropole nicht über eine geeignete Halle, die den aktuellen Liga-Ansprüchen entspricht, verfügt. Die legendäre KeyArena, die von 1964-1994 den Namen „Seattle Center Coliseum“ trug, ist nicht nur zu klein, sondern auch marode. Noch heute erinnern sich die Fans daran, dass 1986 ein Spiel abgebrochen werden musste, weil es in Strömen durch das undichte Dach regnete.

Versuche, die Politik dahingehend zu bewegen, in die Arena zu investieren, waren in der Vergangenheit bereits fehlgeschlagen. Doch eine private Investorengruppe hat sich in den letzten Jahren in Seattle formiert und seitdem das Ziel verfolgt, wieder NBA-Basketball in die Stadt zurückzubringen.

Am 5. Dezember 2017 gab es schließlich den lang ersehnten Durchbruch und grünes Licht: Insgesamt 600 Millionen Dollar werden in die altehrwürdige Halle investiert. Die Renovierungsarbeiten sollen bis 2020 abgeschlossen sein. Im Anschluss wird, so hoffen es die finanzstarken Investoren, sowohl NHL-Eishockey als auch NBA-Basketball nach Seattle zurückkehren. Ob dieses Unterfangen tatsächlich gelingt, steht noch in den Sternen. Doch eins steht fest, Millionen von Fans weltweit würden sich über die Rückkehr der legendären Franchise gigantisch freuen.

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