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Der Prince of Portland

Kein LaMarcus Aldridge, kein Nic Batum, kein Robin Lopez … kein Problem für Damian Lillard! Als „letzter Mohikaner“ hielt er die Fahne der Portland Trail Blazers in dieser Saison hoch und schaffte die wohl größte Überraschung der Saison – den Einzug in die zweite Playoff-Runde. BASKET zeigt die Entwicklung des jungen Point Guards und seinen immensen Wert für die Franchise.

Überraschung: Damian Lillard und seine Blazers scheiterten erst in den Conference Semifinals an den Warriors.
Alle Fotos: getty images

Damian Lillard saß am ersten Tag des Trainingscamps der Portland Trail Blazers in der Kabine und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Es muss ein surrealer Moment für den Star-Point-Guard gewesen sein. Die Jungs, mit denen er in den letzten Jahren noch hart umkämpfte Playoff-Schlachten geschlagen hatte, mit denen zusammen er die Blazers wieder zu einer Top-Adresse im Westen gemacht hatte, sie waren fort. Da saß kein LaMarcus Aldridge mehr, den es nach San Antonio zog. Kein Nicolas Batum, der nun für Charlotte auf Korbjagd geht. Wes Matthews? In Dallas. Und auch Center-Hüne Robin Lopez packte im Sommer seine Koffer und verabschiedete sich nach New York. Der letzte Starter aus der Vorsaison war Damian Lillard. Frisch ausgestattet mit einem Fünf-Jahres-Vertrag über 120 Millionen Dollar, doch ohne wirkliche sportliche Perspektive. Möchte man zumindest meinen …

Neue Herausforderung
Denn Damian Lillard war damals nicht sauer auf das Front Office in Portland. Oder auf seine Mitspieler, die ihn mehr oder weniger im Stich gelassen haben. Er weiß, dass es so gehen kann im schnelllebigen NBA-Alltag. Und er will der Welt beweisen, dass er mit jeder Situation umgehen kann. „Ich glaube ganz fest an mich, denn ich habe in diesem Spiel schon viel mehr erreicht, als es mir viele zugetraut haben“, so der 25-Jährige, den die Blazers 2012 an sechster Stelle im NBA-Draft wählten. „Mir fielen die Dinge im Basketball nie in den Schoss, und darum werde ich auch jetzt mit allem fertig, was da kommen mag.“ Vor allem wird Damian Lillard mit einer komplett neuen sportlichen Situation in Portland fertig werden.

Denn die Blazers verloren nicht nur vier ihrer fünf Starter aus der letzten Saison, auch menschlich und in der Hierarchie hinterlassen die abgewanderten Stars ein großes Loch. LaMarcus Aldridge übernahm am Ende enger Partien die Verantwortung und entlastete Lillard. Wes Matthews galt weitestgehend als der emotionale Leader, als das Herz und die Seele der Mannschaft. Der verbleibende Kader ist ein Sammelsurium aus jungen, unerfahrenen Spielern, die zwar alle Talent mitbringen, doch noch mindestens einen Schritt entfernt sind von der ganz großen Bühne. Damit fällt fast die gesamte Verantwortung einem einzigen Spieler zu – Damian Lillard. Eine Situation, an der schon viele vor ihm gescheitert sind. Doch er sah das ganze als eine Chance, packte den Stier bei den Hörnern und nahm sich der Aufgabe mit der Ruhe, dem Stolz und der Stärke einen echten NBA-Superstars an.

Ein echter Winner
„Ich glaube, viele Leute erwarteten von ihm, dass er auf einmal jeden Wurf nehmen würde“, erklärt Terry Stotts, seit 2012 Headcoach der Blazers. „Doch mir war klar, dass er das tut, was das Beste für das Team ist. Er ist ein Winner, und auch wenn es seine Zeit brauchen wird, so bin ich mir sicher, dass er den richtigen Weg mit der Mannschaft finden wird.“ Auch Lillard selbst war sich durchaus bewusst, dass sein Spiel in dieser Saison noch mal neu unter die Lupe genommen werden würde. „Es wäre einfach, in jedem Spiel 30 Punkte zu machen und dann als Verlierer nach Hause zu gehen“, so der zweimalige All Star. „Doch dann würde keiner meiner Teamkollegen mit mir spielen wollen. Verständlicherweise. Wir können nur als Team etwas erreichen, und dazu brauchen wir jeden Spieler. Meine Aufgabe ist es, jedem dabei zu helfen, das Beste aus den Möglichkeiten zu machen.“

Und Damian Lillard geht mit gutem Beispiel voran. 25,1 Punkte, 4,0 Rebounds und 6,8 Assists pro Partie standen in der Regular Season zu Buche und Spiel für Spiel zeigte Lillard, was ihn zu einem der besten jungen Point Guards der Liga macht. Mit sicheren Handles und Kreativität kämpft er sich leicht durch die Verteidigung, sei es zum Scoren oder um Platz für seine Teammates zu schaffen. Respektiert der Gegner seinen schnellen ersten Schritt zu sehr, dann bestraft es „Dame“ mit einem gefährlichen Jumpshot aus der Distanz. Mit 1,93 Metern, satten 88 Kilogramm und gut ausgeprägter Athletik verfügt er außerdem über sehr solide körperliche Voraussetzungen, um als Playmaker die Liga aufzumischen. Und der wohl beste Aspekt seines Games sind seine mentale Stärke und sein Spielwitz, welche ihn nicht zur egomanischen Scoring-Maschine werden lassen, sondern zu einem team-orientierten Leader. Lakers-Legende Kobe Bryant- bringt es sogar noch viel deutlicher auf den Punkt: „Für mich besteht kein Zweifel, Damian ist einer der besten Spieler der Liga. Was er auf dem Court anstellt, ist einfach fantastisch.“

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Typischer Oakland-Style
Für Lillard ist sein NBA-Ruhm das zwischenzeitliche Ende einer langen Basketball-Odyssee, die in jungen Jahren in den Straßen von Oakland, Kalifornien, begann. Die Westküsten-Metropole verfügt über eine lange, reiche Basketball-Tradition. Hier ging ein junger Bill Russell auf Korbjagd, Demetrius „Hook“ Mitchell wurde zur tragischen Streetball-Legende, und zwei legendäre Point Guards machten die Stadt zu einem Playmaker-Mekka. Gary Payton und Jason Kidd wurden schon früh auf Lillard aufmerksam und sahen in ihm den Nächsten in einer langen Linie von Oakland-Point-Guards, denn er besaß all die Talente, die ebenjene ausmachen. „Er spielt genauso, wie man es in Oakland tut“, sagt der neunmalige All Star Payton über den neuesten Star aus der Bay Area. „Er hat diesen leichten ‚Swagger‘, und nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Auf den Courts und in den Gyms von Oakland wird man auf alles vorbereitet.“ Auch Lillard weiß um den Effekt, den seine Jugend auf sein Spiel hatte. „Ich habe schon als Teenager gegen all die Jungs gespielt. Kidd, Payton und auch Hook“, erinnert sich Lillard ganz besonders an ein Spiel gegen den Monster-Athleten, der sein Talent inmitten von Drogen, Kriminalität und Ziellosigkeit verlor. „Er verteidigte mich besonders hart. Ich glaube, sie wollten, dass ich merke, was es bedeutet, aus Oak-land zu stammen. Das half mir.“

Seine Wurzeln sind Lillard heilig. So ziert ein überdimensionales Tattoo mit dem Stadtnamen seine Brust, und auch die Trikotnummer 0 steht in seinem Fall nicht für die Ziffer, sondern für den Buchstaben O. Ein Stück weit sind diese Dinge- auch eine Erinnerung daran, dass es in seinem Basketballer-Leben nicht immer leicht war. Seine erste eigene Korbanlage war ein Milchkarton, der an einem Telefonmast angebracht war. In seiner Jugend spielte er manchmal in Cafeterias, in denen man aufgrund der niedrigen Decke nicht mal einen Jumpshot werfen konnte. Drei Mal wechselte er die Highschool, war kein gefragter College-Recruit. Doch er biss sich durch. wurde an der kleinen Weber State University zu einem der besten Spieler des Landes und würde früh von Portland gepickt. Und all das macht ihn heute zu einem besseren Spieler.

Genau wie am College
Für Lillard ist die Situation in diesem Jahr in Portland nichts Neues. „Es erinnert mich ein wenig an meine College-Zeit bei Weber State“, so der Point-Guard, der in seiner Freizeit ein begeisterter Rapper ist und schon mehrere Tracks selbst aufgenommen hat. „Niemand glaubte an uns, wir waren keine großen Stars, doch wir gewannen als Team. Und genauso müssen wir es hier auch machen, natürlich auf einem anderen Level.“ Der Weg zum Erfolg ist steinig für die jungen Blazers, zunächst stehen 14 Siegen 21 Niederlagen gegenüber. Doch das Team findet sich, zieht in die Playoffs ein und schaltet dort als Nr. 5 sogar die favorisierten Clippers aus, die nach den Verlusten von Chris Paul und Blake Griffin nicht mehr mithalten können. Nicht gegen diese Blazers. Die Teamchemie stimmt, und Lillard kristallisierte sich als der unangefochtene Leader des Teams heraus. Als ein echter Franchise-Player.

Zu keinem Zeitpunkt wurde das deutlicher als Ende Dezember, als Lillard zum ersten Mal in seiner Karriere Spiele aufgrund einer Verletzung verpasste. „Meine Teamkameraden fingen an, mich Coach Lillard zu nennen“, lacht „Dame“, der aufgrund einer Fersenverletzung sechs Spiele aussetzen musste. „Ich versuchte einfach nur zu helfen, ich sagte jedem, wie ich Situationen sah oder wie wir gewisse Plays laufen könnten.“ Und wie war Coach Lillard so für seine Spieler? „Er war verdammt intensiv, ein harter Knochen“, erinnert sich Portland-Guard C.J. McCollum, der sich in dieser Saison zu einem richtigen Top-Scorer neben Lillard entwickelt, mit einem Augenzwinkern. „Er versteht das Spiel wie kein Zweiter und hat jedem von uns immens geholfen.“ Auch Terry Stotts sah während Lillards Verletzungspause eine neue Dimension in den Anführerqualitäten seines Top-Stars. „In Straßenkleidung ein Team zu führen ist alles andere als einfach“, so Stotts, dessen Team drei von sechs Spielen ohne Lillard gewann. „Doch für Damian war das überhaupt kein Problem, er hat die Mannschaft so gut unterstützt, wie es nur wenige in solch einer Situation können.“

Eine Frage der Zeit
Für Damian Lillard war das nur ganz natürlich. Wie die gesamte Saison bis dato, in der er zeigt, dass er ein echter Franchise-Player und NBA-Superstar für Portland sein kann. Eben nicht nur, weil er selber sein Spiel auf ein neues Level geschraubt hat, sondern gerade weil er seinen Mitspielern – und damit der gesamten Mannschaft – hilft, sich zu entwickeln. „Als er in die Liga kam, war er ein Scoring-Point-Guard, doch in den gut drei Jahren hat er sich zu so viel mehr entwickelt“, blickt Stotts auf Lillards Karriereverlauf. „Er ist von Haus aus ein Anführer. Seine Mitspieler respektieren ihn und würden für ihn durchs Feuer gehen. Ein besseres Kompliment kann es für einen Team-Leader gar nicht geben.“

Für Damian Lillard ist das aber nicht genug. Er wollte sich wieder im Locker-Room umschauen und mit seinen Teamkollegen Siege feiern und in den Playoffs kämpfen. Dass es irgendwann wieder so sein wird, war klar. Doch dass es bereits jetzt so weit war, zeigt, wie besonders diese Saison für Lillard und seine Portland Trail Blazers war.

Moritz Wollert 

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