Bevor Stephen Curry das Spiel veränderte, sorgten Tim Hardaway, Mitch Richmond und Chris Mullin als Run TMC für Furore. In der Retro-Analyse zeigt BASKET, warum Run TMC bis heute in der NBA Kultstatus genießt und der Ursprung der Warriors-DNA ist.
von Benjamin Krek

1986…
markiert in der Musikwelt ein besonderes Kalenderjahr. Im Speziellen bei allen alteingesessenen Hip-Hop-Fans dürften an dieser Stelle die Glocken läuten. Schließlich erschien vor 38 Jahren mit „Raising Hell“ das erste Album in jenem Genre, welches mehrfach mit einer Platin-Schallplatte ausgezeichnet wurde. Komponiert wurden die Hits hierbei von einem sagenumwobenen Trio namens Run-D.M.C.. Als eine der einflussreichsten Hip-Hop-Gruppen aller Zeiten erfreute sich die aus dem New Yorker Stadtteil Queens stammende Band einer überwältigenden Popularität. Auf unkonventionelle Art und Weise revolutionierten die Trendsetter ihr Genre. Parallel zu dieser Entwicklung traten drei Basketballspieler auf dem NBA-Court in die Fußstapfen des Musikensembles. Unter dem nahezu identischen Namen “Run TMC” zogen Tim Hardaway, Mitch Richmond und Chris Mullin eine außergewöhnliche Show auf, welche die NBA bis dato noch nicht gesehen hat. Blitzschnell, risikoreich, aufregend … mit jenen Adjektiven lässt sich ihre Spielweise am besten beschreiben. Ihren Weg nach Kalifornien zu den Golden State Warriors traten die drei Musketiere hierbei Schritt für Schritt an. Während Mullin 1985 mit dem siebten Pick selektiert wurde, folgte drei Jahre später Richmond als fünfter Pick. Als Letzten im Bunde verschlug es Hardaway als 14. Pick des 1989er Drafts in die Bay Area.
Wundertüte
Zusammen prägten die Guards eine Ära in San Francisco und setzten unter der Ägide von Cheftrainer Don Nelson neue Maßstäbe.Hierfür implementierten die „Dubs” einen ziemlich unorthodoxen Spielstil, welcher die Spieler nicht an ein System fesselte. Vielmehr agierten die Korbjäger positionslos und hatten die Chance, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Folglich spielte etwa der 1,83 m große Hardaway zumindest nominell manchmal Power Forward oder sein Teamkollege Mitch Richmond die Rolle des Centers. Es war nicht verkehrt, gegen den Strom zu schwimmen. Einzig und allein der „Flow” musste stimmen. Wie würde Bruce Lee so schön sagen: „Sei Wasser, mein Freund.“ Die Devise lautete, anpassungsfähig und unvorhersehbar zu sein. „Die großen Typen spielten draußen, die kleinen Jungs gingen nach innen und die Point Forwards starteten die Offense. In der ganzen Liga fragten sich alle: ‚Was machen die da?’ Was geht hier ab?‘ Sie hatten gar keinen Plan, wie sie gegen uns spielen sollten oder sich auf uns vorbereiten können. Es war für die anderen Mannschaften einfach unbegreiflich“, erinnert sich auch Leistungsträger Hardaway. Einen richtigen Plan hatten die Krieger allerdings auch nicht immer, wie Hardaways Mitstreiter Chris Mullin gesteht: „Die Gegner konnten uns schlichtweg nicht aufhalten. ” Sie konnten uns nicht scouten. Ihnen war nicht klar, was wir machen werden, weil wir das selbst nicht wussten. Wenn sie unser Playbook durchgegangen wären, hätten wir sie gefragt, was sie sich da überhaupt anschauen. Wir hatten zwar ein Playbook, aber wir hielten uns nie daran. Wir haben einfach unser eigenes Ding gemacht und sie überrannt.”
Je mehr, desto besser …

Run-and-Gun stand auf der Tagesordnung. Den Rivalen blieb nichts weiter übrig, als die Hände in die Luft zu heben und sich zu ergeben. In ihrer ersten gemeinsamen Spielzeit katapultierte Run TMC die Warriors an die offensive Spitze und sorgte dafür, dass die „Dubs” mit insgesamt 116,3 Zählern pro Partie zum ligaweit gefährlichsten Team aufstiegen. Tim, Mitch und Chris steuerten im Zuge dessen jeweils 14,7, 22,1 und 25,1 Punkte bei. Während die Schützlinge von Don Nelson am offensiven Ende des Hardwoods die Grenzen verschoben, blieb der Teamerfolg allerdings noch aus. Eine überschaubare Bilanz von 37-45 bescherte den Kriegern im wilden Westen nur den zehnten Platz. Ihrer Philosophie blieben die Warriors in der Folgesaison dennoch treu. Ein wahres Liebesgeständnis markierte hierbei gleich das Eröffnungsspiel der neuen Spielzeit gegen die Denver Nuggets. In den Rocky Mountains sprengten beide Kontrahenten ihr gesamtes Pulverfass und riefen so eine Scoring-Explosion tektonischen Ausmaßes hervor. Mit sage und schreibe 162 Zählern überflutete man die Korbanlage Denvers, welche sich ihrerseits mit 158 Punkten ebenfalls keine Blöße gaben. Jenes Kunststück gelang den beiden Kontrahenten hierbei, wohlgemerkt, in der regulären Zeit. Ein Rekord, der auch heutzutage noch steht. Es ist der Beginn eines besonderen Erfolgslaufs. Zusammen steigerten die drei Musketiere ihre Marke aus dem Vorjahr und terrorisierten die Association mit durchschnittlich 72,5 Zählern pro Begegnung. Alle drei Akteure rangierten in diesem Jahr hierbei unter den elf besten Korbjägern der Liga. Jener Wert sollte über Jahrzehnte das Gardemaß bleiben und die höchste Punkteausbeute eines Dreigespanns in der NBA-Historie darstellen – zumindest bis Stephen Curry, Klay Thompson und Kevin Durant kamen.
Showtime!
Wichtiger war jedoch, dass von Run TMCs potenter Feuerkraft auch das Kollektiv profitierte. Dank 44 Siegen reservierten sich die Warriors ein Rendezvous mit den San Antonio Spurs in der ersten Playoff-Runde. Zwar mussten sie sich dort im ersten Spiel knapp mit 121:130 geschlagen geben, die „Dubs” hatten jedoch Blut geleckt. „Ich kann mich an das Teemeeting erinnern, das wir nach der Niederlage im ersten Spiel hatten und wie sicher Nellie trotzdem war, dass wir die Serie gewinnen würden. Er sagte: „Ich habe etwas gefunden. Ich habe es herausgefunden. Wir werden sie uns holen. Wir werden sie schlagen“, erinnert sich Mullin. Jene Prophezeiung sollte sich bewahrheiten. Drei Siege in Folge bescherten der Franchise aus Kalifornien das Weiterkommen. Nach der Sensation machte sich eine elektrisierende Euphoriewelle in der Bay Area breit. Diese führte neben zahlreichen Fans auch niemand Geringeres als Run-D.M.C. in die „Dubs”-Heimspielstätte. Schließlich wollte sich auch die gefeierte Hip-Hop-Gruppe nicht die Serie gegen die schillernden Showtime-Lakers entgehen lassen. Um ihren Auftritt perfekt zu machen, übernahm die Band während der Duelle in der Bay Area sogar die Spielervorstellung und versetzte alle in Ekstase. Naja, fast alle. So waren Legende Magic Johnson und seine Mitstreiter nicht unbedingt begeistert von jenem Gag und verstanden diesen vielmehr als Provokation. Konsequenterweise rollten die Mannen aus der Stadt der Engel, welche sich von ihren kalifornischen Nachbarn nicht wirklich ernst genommen gefühlt haben, regelrecht über ihre Rivalen und machten kurzen Prozess. „Wenn wir das Spiel gewonnen hätten, wäre das die beste Idee aller Zeiten gewesen …” schmunzelte Mullin. Stattdessen hieß es nach fünf Spielen: Koffer packen. Trotz jenem Realitätscheck blickte man der Zukunft optimistisch entgegen. Schließlich schien sich das Championship-Fenster langsam zu öffnen. Lediglich Eckpfeiler Richmond war sich dessen nicht ganz so sicher.

Wenn zwei sich streiten, leidet der Dritte

Obwohl M zusammen mit T und C zu den Anführern der Warriors zählte, erschwerten fortwährende Konflikte zwischen dem Star und Coach Nelson die Zukunftspläne der Franchise. Das zeigte sich unter anderem bei einem Gastspiel der „Dubs” bei den Boston Celtics. Voller Stolz zeigte „Nellie” auf das Hallendach des TD Gardens auf sein Trikot mit der Nummer 19. “Du hast gespielt, Coach?”, fragte Richmond als Reaktion hierauf und machte sich damit nicht unbedingt beliebt.“ Ein anderes Mal gerieten die zwei Streithähne wegen einer Defensivsequenz aneinander. „Wenn du glaubst, dass du alles weißt, kannst du morgen das Team verdammt nochmal selbst coachen”, rief Nelson seinem Schützling ins Gesicht. Genau das tat Richmond auch. Mit einer Tasse Kaffee ging er auf das Spielfeld und begann das Training in alberner Manier zu leiten, seinen Bauch raushängen zu lassen und sich angetrunken zu verhalten. Nelson war davon gar nicht begeistert. Die Situation verschärfte sich weiter, als Richmond den Strategen einige Zeit später offen fragte, wer für ihn der beste Spieler der Mannschaft sei. „Chris Mullin”, antwortete Nelson ohne zu zögern. Trocken reagierte Mitch, der sich nicht wertgeschätzt sowie unterbezahlt fühlte, mit zwei Worten: „Alles klar“, und fügte an: „Wenn er für 3,3 Millionen US-Dollar unterschrieben hat, nehme ich drei.“ Trotz der anhaltenden Differenzen im Vorfeld der neuen Saison setzte sich Richmond in den Flieger und reiste mit seinen Teamkollegen zum Eröffnungsspiel nach Denver am 1. November. Den Teambus betrat er jedoch nie. Nelson beorderte ihn in sein Zimmer. Richmond ahnte, was kommen würde. So kursierten bereits über einen längeren Zeitraum Wechselgerüchte um seine Person, welche ihm nicht entgangen waren. „Sag mir nicht, dass du mich nach Sacramento getradet hast”, schoss es aus Richmonds Mund, als er das Zimmer betrat. Doch so war es. Um den Frontcourt aufzupolieren und das Small-Ball-Experiment zu perfektionieren, verschiffte Nelson, der neben seiner Rolle als Stratege auch die Funktion des General Managers ausübte, den Star Billie Owens nach „Sac-Town”. Es war ein Schock! Nicht nur für den Betroffenen selbst, wie Teamkollege Tim Hardaway offenbarte: „Wir waren für eine Weile wie betäubt. Um ehrlich zu sein, haben wir uns davon nie erholt.“
Nach dem Abgang des Guards, der in Sacramento zum All Star reifte, war „Run TMC” Geschichte. Insgesamt kamen das Trio in nur zwei Jahren auf eine Bilanz von 81-83. Der Einfluss der drei Musketiere ist jedoch viel größer, als es die blanken Zahlen verraten. So revolutionierte Run TMC das Basketballspiel auf seine eigene Art und Weise. Dessen ist sich auch Chris Mullin bewusst: „Wir haben zusammen vielleicht keine Meisterschaft gewonnen, aber wir hatten Spaß und haben viele Leute in den Wahnsinn getrieben, weil wir einen verrückten Spielstil hatten … Ich wünschte, wir hätten mehr erreicht, aber in diesen drei Jahren hatten wir die Zeit unseres Lebens.
Diese Story erschien zuerst in der BASKET 03/25.
Fotocredits: GettyImages
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