Hard work pays off: Payton Pritchard glänzte in den letzten Jahren immer wieder mit geschichtsträchtigen Leistungen. Aus dem Schatten von Jayson Tatum und Jaylen Brown kommend, baut er jetzt immer mehr seine Rolle als Impactspieler aus. Wie hat es der 1,84 Meter große Point Guard zu einer der entscheidenden Säulen des Meisterschaftsteams von 2024 geschafft?

Als kleiner Basketballspieler hat man es nicht leicht. Um es in die beste Liga der Welt zu schaffen, muss ein Athlet, der kleiner als 1,90 Meter ist, eine beachtliche Karriere hinlegen und sich in den Vordergrund spielen, damit die entscheidenden Leute auf ihn aufmerksam werden. Pritchards Entwicklung war spektakulär. Von einem eigentlich zu klein gewachsenen Arbeitstier wandelte er sich langsam, aber sicher zu einem wichtigen offensiven Faktor für die Celtics. Mit 14,4 Punkten, 3,5 Assists und 3,8 Rebounds pro Spiel von der Bank hat er sich den Titel des Sixth Man of the Year erarbeitet. Doch wie kam der 1,85 Meter große Athlet dorthin, wo er heute steht? Seine Karriere begann in seinem Heimatstaat Oregon an der West Linn High School.
Vier Jahre, vier Titel
Mit 14 Jahren und 1,80 Meter durfte er bereits in seinem ersten Jahr für die erste Mannschaft der West Linn High School auflaufen. Es wird berichtet, dass „Fast-PP“ ein Mann der Tat war. Vor der Schule stellte er sich den Wecker auf 5.30 Uhr, um in der Garage sein Dribbling zu üben, bis seine Hände bluteten. Sein Talent und seine Arbeitsethik machten ihn bereits in seinem ersten Jahr zu einer Schlüsselfigur im Meisterschaftsrennen des Teams. Pritchard war sich jedoch bewusst, dass er von älteren, ebenso talentierten Spielern umgeben war, die über mehr Erfahrung verfügten. Sein ehemaliger Trainer Eric Viuhkola sagte dazu, er habe sich geopfert, um die anderen besser zu machen. So machte der heute 27-Jährige nicht durch unglaubliche Statistiken auf sich aufmerksam, sondern durch seinen Einfluss auf seine Teamkameraden.
„Er war in diesem Jahr nicht unser MVP, aber er war vielleicht unser wichtigster Spieler“
führte der Cheftrainer aus. In den nächsten drei Jahren änderte sich seine Rolle, als die Älteren aufhörten. Plötzlich hatte er viel den Ball in der Hand und konnte zeigen, was er kann. In seinem zweiten Jahr erzielte er mit gerade einmal 15 Jahren 18 Punkte und 7,5 Assists pro Partie und agierte bereits wie ein erfahrener Aufbauspieler. Mit dieser Leistung führte er sein Team zum zweiten 6a-Titel in Folge, und es sollte nicht der einzige bleiben, den er mit seiner Mannschaft feiern konnte. In insgesamt vier Jahren gewann er vier Titel. Als Leistungsträger wurde er von der Liga mit mehreren individuellen Auszeichnungen geehrt, darunter als „Todd Pratt Player of the Year“ 2014 und 2015, „Oregon Class 6A Player of the Year“ und „Gatorade Oregon Player of the Year“ 2015. In seinem vierten und letzten Jahr, 2015–16, bevor er aufs College ging, konnte er mit beeindruckenden Zahlen glänzen. Er erzielte durchschnittlich 23,6 Punkte, 5,8 Assists und 3,1 Steals pro Partie. Damit wurde er im ESPN-Ranking als Vier-Sterne-Talent auf College-Niveau eingestuft. Die Krönung seiner Highschool-Karriere folgte mit der Einladung zum Northwest Shootout, einem Highschool-All-Star-Spiel zwischen den besten Spielern aus Washington und Oregon.

Dort saß er im zweiten Viertel hauptsächlich auf der Bank. Als sein Team zur Halbzeit mit 20 Punkten zurücklag, war seine Zeit gekommen! Er nahm das Geschehen in die Hand und wurde in der zweiten Halbzeit nicht ein einziges Mal ausgewechselt, drehte den Rückstand und gewann das Spiel mit einer persönlichen Leistung von 43 Punkten und 15 Assists in 36 Minuten. Doch das All-Star-Game war nur ein kleiner Vorgeschmack auf seine noch folgende NBA-Karriere.
Noch ein Jahr mehr

Bevor Pritchard in der ersten Runde von den Boston Celtics gedraftet wurde, musste er sich für ein College entscheiden, an dem er sein Spiel weiterentwickeln konnte, um für die beste Liga der Welt bereit zu sein. Er entschied er sich für die University of Oregon. Schon in seiner ersten Saison stand er für die Ducks fast immer in der Starting Five, auch wenn seine Stats noch nicht auf Top-Niveau waren. Wie schon in der High School verließen dann in der zweiten Saison die Stammspieler das Team, so dass sich der Sophomore in seinem zweiten Jahr eine neue Rolle suchen musste. Dementsprechend konnte er seine Punkteausbeute in dieser Saison fast verdoppeln. In seinem dritten Jahr kam es dann zu Beginn der Saison zu einem Leistungseinbruch. Entgegen der Erwartung, sich weiter steigern zu können, enttäuschte er in der ersten Saisonhälfte.
Bis zum 20. Spieltag gelang es ihm nicht, sein Spiel auf ein konstantes Niveau zu bringen. Zwar erzielte er in vier Partien 20 oder mehr Punkte, blieb aber auch oft unter zehn Zählern. Letztendlich konnte er sich aber fangen und sein kleines Formtief überwinden. Er machte aus einer zunächst schlechten Saison eine der besten seiner Karriere, denn die Oregon Ducks schafften es dank der überragenden Leistungen ihres Point Guards überraschend, das Pac-12-Turnier zu gewinnen und sich somit für das NCAA-Turnier der letzten 32 Teams zu qualifizieren. Im Anschluss wurde er zum MVP des Pac-12-Turniers gewählt. Nach dieser leistungsmäßig zweigeteilten Saison wollte er den Schritt in die NBA wagen und meldete sich für den Draft 2019 an, überlegte es sich dann aber anders, zog die Anmeldung zurück und spielte ein weiteres Jahr als Senior für die Ducks. Dass dies eine gute Entscheidung war, zeigte sich in der Saison. Mit 20,5 Punkten, 5,5 Assists und 4,3 Rebounds pro Spiel avancierte er zu einem der besten Athleten der gesamten NCAA. Dabei sorgte er für das ein oder andere Highlight. Gegen Arizona schraubte er am 22. Februar 2020 seinen persönlichen Ligabestwert auf 38 Punkte. Am Ende siegte man mit 73:72 nach Verlängerung und qualifizierte sich für das Pac-12-Turnier, wo Pritchard zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde. Doch das war nicht seine einzige Auszeichnung für dieses herausragende Jahr. Er wurde in die All-American-Auswahl berufen und als bester Point Guard der Liga geehrt. Nicht zuletzt aufgrund dieser Leistungen hat Danny Ainges, ehemaliger General Manager (GM) der Boston Celtics, den talentierten Guard an 26. Stelle im NBA Draft 2020 ausgewählt.

In die Zone wagt sich Pritchard nur selten, 79,7 Prozent seiner Würfe nimmt er außerhalb der Dreierlinie.
Sixth Man of the Year
Für einen Spieler, der auf einer späten Position ausgewählt wurde, hat „P-Rabbit“ direkt viel gespielt. In den ersten fünf Saisonspielen stand er nach den beiden J’s und Marcus Smart am vierthäufigsten auf dem Parkett. Grund dafür war eine Verletzung von Starter Kemba Walker. Im Verlauf seiner Rookie-Saison nahm die Spielzeit zwar ab, fiel aber nicht auf null. Insgesamt kam er auf solide 19,2 Minuten pro Partie. Unter Ime Udoka und im ersten Jahr von Joe Mazzula musste er aber zunächst Dennis Schröder und dann Malcon Brogdon den Vortritt lassen. Dennoch durfte er weiterhin spielen, wenn auch nicht mehr in dem Umfang wie in seiner Rookie-Saison. In seinem Sophomore-Jahr stand er 14,1 Minuten auf dem Feld, im darauffolgenden Jahr nur noch 13,4 Minuten. Seine Konstanz als Aufbauspieler mit hervorragendem Basketball-IQ half ihm über die Durststrecke hinweg, und nach dem Abgang von Smart verdiente er sich einige Minuten. In der Meisterschaftssaison 2023/24 spielte er dann 22,3 Minuten pro Spiel und feierte seine Break-out-Saison mit fast 10 Scorern pro Spiel und effizienten Wurfquoten (59,7 Prozent True Shooting). Er wurde immer mehr in das Team der Kelten integriert und trug entsprechend zum großen Erfolg der Mannschaft bei. Kurz vor den Playoffs schonte Mazzula seine Starting Five in den letzten beiden Spielen der regulären Saison, und die Verantwortung lag ganz bei dem 1,85 Meter großen Guard. Diese Verantwortung entfachte ein Feuer in ihm! In beiden Spielen überzeugte er mit über 30 Punkten.
Während er im ersten Spiel in knapp 31 Minuten 31 Punkte erzielte, konnte er diesen Wert im zweiten Spiel mit 38 Punkten noch übertreffen. Nicht nur seine Punkteausbeute war auf Spitzenniveau, auch seine Fähigkeiten als Ballverteiler wurden deutlich. Mit erst 11, dann 12 Assists zeigte er der Basketballwelt, welches Potenzial in ihm schlummert. In der aktuellen Saison konnte er da anknüpfen, wo er aufgehört hat. Er nimmt den Schwung aus der letzten Saison mit und zeigt in dieser Spielzeit in den Minuten als sechster Mann, dass er seine Zeit sogar noch effizienter zu nutzen weiß. Mit einem Player Efficiency Rating von 18,2 und einer Wurfquote von 64,9 Prozent ist auf ihn Verlass. Den bisherigen Höhepunkt seiner Karriere konnte er dann am 05.03.2025 feiern. Dort musste er den Ausfall von Jayson Tatum kompensieren und tat dies mit Bravour. Mit einer Statline von 43 Punkten, 5 Assists und 10 Rebounds stellte er nicht nur einen Karrierebestwert auf, sondern ist nun einer von nur drei NBA-Spielern in der Geschichte der Liga, die 40 Punkte, 10 Rebounds und 5 Assists verbuchen konnten. Bisher gelang dies nur Damian Lillard und James Harden.
Die Geschichte eines hart arbeitenden Basketballspielers, der nicht mit sonderlichen körperlichen Talenten gesegnet ist und dennoch zu überzeugen weiß, ist noch nicht zu Ende. Wir können alle gespannt sein, wie er sich in der Liga entwickelt und inwiefern er den Celtics zum nächsten Titel verhelfen kann.
Diese Story erschien zuerst in der BASKET 05/25.
Fotocredits: Getty Images; Text: Kijanusch Holz
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