Ihm zu Ehren werden die Celtics das Trikot mit der Nummer 5 nicht vergeben: Kevin „KG” Garnett

Er ist einer der dominantesten Spieler der NBA-Geschichte. Sein Glück in Form einer NBA-Meisterschaft fand Kevin Garnett dabei jedoch erst recht spät in seiner Karriere – auch weil er immer das Team über seine persönlichen Erfolge setzte. Anlässlich seines Geburtstags am 19. Mai blickt BASKET auf die Laufbahn von „The Big Ticket“ zurück, die ihn zum König der Celtics machte.

Text: Fabian Küpper

„There is no ‚I‘ in Team“ ist ein beliebtes Mantra und Credo im Basketball, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Die größte Ausnahme dieser Regel bildete bekanntlich Kobe Bryant, der seinen Teamkollegen oft zu wenig vertraute und alles allein machen wollte. Die Resultate in jener Zeit zeigten, dass seine zur Schau gestellte Ego-Show von wenig Erfolg gekrönt war. Wieder und wieder scheiterte er früh in den Playoffs; erst als die Lakers ihm Pau Gasol an die Seite stellten, war Kobe wieder im Aufwind. Doch der Name Bryant wird dabei auch ewig mit einem anderen Spieler in Verbindung stehen: Kevin Garnett. Die zwei ersten Highschooler in der NBA und dabei von ihrem Mindset doch so verschieden. Dort Kobe, der alles alleine machen wollte, auf der anderen Seite „KG“, dem es immer um das große Ganze und sein Team ging.

Gezwungener Umzug

Doch spulen wir zurück in das Jahr 1976. Die 15 All-Star-Auszeichnungen, die MVP- und DPOY-Trophäe und viele weitere Ehrungen sind in Kevins Geburtsjahr noch ganz weit weg. In South Carolina wächst er gemeinsam mit seinen zwei Schwestern, seiner Mutter Shirley und seinem Stiefvater auf. Sein leiblicher Vater O’Lewis McCullough brach die Beziehung zu Shirley kurz nach Garnetts Geburt am 19. Mai nämlich ab. Auch wenn Kevin als Kind ein begeisterter Sportler ist, verliebt er sich in Basketball erst in der Mittelstufe. Richtig Fahrt nimmt die Beziehung zwischen Garnett und dem orangefarbenen Leder dann in der Highschool auf. In seinen ersten drei Jahren an der Mauldin High School machte sich Garnett einen Namen – bis jener verhängnisvolle Sommer 1994 kam. Kevin war kurz vor Beginn seines letzten Highschool-Jahres, als er in eine Schlägerei zwischen Farbigen und Weißen verwickelt wurde. Auch wenn Garnett an der Prügelei nicht direkt beteiligt ist, wird jedoch trotzdem wegen Lynchmordes zweiten Grades verurteilt. Die Anklage wird im Anschluss aufgrund einer vorgerichtlichen Intervention zwar fallen gelassen, zur Mauldin Highschool will der Teenager aber nicht zurück – aus Angst, zur Zielscheibe rassistisch motivierter Rachetaten zu werden. Stattdessen wechselt er für sein letztes Jahr an die Farragut Career Academy in Chicago.

Schockverliebt

In seinem Rookie-Jahr spielte Kevin Garnett zunächst für die Timberwolves.


Was folgte, war pure Dominanz. „KG“ führte seine Highschool zu einer Bilanz von 28-2 und legte dabei eine Wucht und Überlegenheit an den Tag, die man auf diesem Level zuvor selten gesehen hatte. 25,2 Punkte, 17,9 Rebounds, 6,7 Assists und 6,5 Blocks lautete seine irre Statline am Ende der Saison – kein Wunder, dass einer seiner Coaches beim damaligen Agenten Eric Fleisher vorstellig wurde, um mit ihm die Möglichkeit eines sofortigen Wechsels von Garnett in die NBA auszuloten. Zwei Wochen nach der ersten Kontaktaufnahme organisierte Fleisher ein Try Out von Garnett vor den Augen von 13 Lottery Teams. Zu jenen Beobachtern zählten auch Kevin McHale und Flip Saunders von den Minnesota Timberwolves, die in jenem Draft 1995 den fünften Pick besaßen. Besonders überzeugt waren sie zu Beginn allerdings nicht. „Ich dachte, es wäre reine Zeitverschwendung“, gab McHale später zum Protokoll – doch dann legte Garnett los. Nach einer atemberaubenden Vorstellung, in der er seine ganze Palette an Fähigkeiten präsentierte, war die einstige Celtics-Legende verliebt. Für ihn war klar: Er wollte nur diesen Jungen haben, der gerade vor seinen Augen gezaubert hatte und im Anschluss vor lauter Erschöpfung in der Halle schlief. Und er hatte Glück. Im Draft fiel den Wolves an fünfter Stelle tatsächlich Garnett in den Schoß. Zwar gab es aufgrund seiner damals noch etwas schmächtigen Statur zunächst einige Bedenken, diese konnte der Power Forward mit einer Kombination aus unbändigem Einsatz, Disziplin und Leidenschaft jedoch schnell zerstreuen.

Kevin allein zu Haus

So wurde der damals 18-Jährige innerhalb der Mannschaft trotz seines Alters schnell respektiert. „Wir hatten alle von ihm gelesen. Aber wir wussten nicht, wie hart er zu sich selbst war und wie motiviert er war, ein großer Spieler zu werden“, sagte sein damaliger Trainer und Mentor Sam Mitchell. Und er erfüllte die Erwartungen nicht nur, sondern übertraf sie. In seinen ersten Jahren mausert sich „The Big Ticket“ zu einem der besten Power Forwards der Liga. Mit 21 Jahren unterschreibt er eine Vertragsverlängerung über sechs Jahre und 126 Millionen Dollar – der Auftakt zur Lockout-Saison 1998/99, an dessen Ende eine neue Staffelung der Verträge stand, die unter anderem eine maximale Dauer von fünf Jahren beinhaltete. „KG“ kam in der Nachbetrachtung dabei nicht überall positiv weg, doch er lässt seinem schwierigen Verhalten auf dem Feld Taten folgen. In der Saison 2003/04 gewinnt er sogar den MVP-Titel. Zufrieden ist er dennoch nicht. „I’m losing. I’m losin“, wiederholt Garnett in einem Interview mit College-Trainer-Legende John Thompson im Jahr 2005. Zehn Jahre war er zu diesem Zeitpunkt in der Liga, sieben Mal war in der ersten Playoff-Runde Schluss. Der größte Erfolg zu diesem Zeitpunkt? Der Einzug in die Conference Finals im Jahr zuvor. Zu wenig für ihn, der dennoch nicht die Flinte ins Korn werfen will. „Das ist nicht Tennis oder Golf. Es geht hier nicht um mich, sondern um uns. Um uns.“ Doch es sollte nicht sein. Das Team zerfiel in den folgenden Jahren, und Minnesota verpasste dreimal in Folge die Playoffs. Garnett war mittlerweile 30 Jahre alt, und die Chance auf die Meisterschaft tendierte im hohen Norden gegen Null. Also zog „KG“ die Reißleine und verabschiedete sich nach zwölf Jahren aus „Minny“ – und setzte so eine neue Ära in der NBA in Gang.

Endlich am Ziel

Denn Garnett ging nicht zu irgendeinem Team. Er ging zu den Boston Celtics, die sich in jener schon jetzt legendären Offseason auch noch Ray Allen schnappten. Zusammen mit Paul Pierce bildeten sie die erste echte „Big Three“ der Ligas Geschichte. Ein Team, das nur für den Zweck zusammengestellt wurde, Titel zu gewinnen. So top-heavy wie die Celtics waren zuvor wenige Mannschaften gewesen. Teuer war der Deal für Boston dabei nicht – was vor allem Kevin McHale zu verdanken war. Die Celtics-Legende erwies seiner alten Franchise einen Freundschaftsdienst, weshalb diese neben den Ergänzungsspielern Al Jefferson, Ryan Gomes, Sebastian Telfair, Gerald Green und Theo Ratliff nur zwei weitere Erstrundenpicks obendrauflegen mussten. Ein unverschämt günstiger Preis.


Die Celtics, zuvor noch eine graue Maus, wurden durch diese Verpflichtung über Nacht zum absoluten Top-Contender und walzten in der Regular Season nur so über ihre Gegner hinweg. Aus 24 Siegen in der Saison 2006/07 wurden mit „KG“, „Ray Ray“ und „The Truth“ satte 66. Wie dominant das Team war, zeigt sich beim Blick aufs Net Rating: Im Schnitt gewann Boston seine Spiele mit 11,2 Punkten Vorsprung. Der Power Forward vollzog in dieser Phase eine beeindruckende Metamorphose: In Minnesota war Garnett der große Star, in Boston war er hingegen nur ein Teil des großen Ganzen. Seine Punkteausbeute ging von 22,4 auf 18,8 zurück, zudem griff er sich 3,6 Rebounds weniger als noch in seinem letzten Jahr bei den Timberwolves. Dennoch gewinnt er in jener Saison den Titel als bester Verteidiger der Liga und ist damit einer von nur fünf Spielern in der NBA-Geschichte, die sowohl MVP als auch DPOY wurden. Immer auf dem Feld dabei: sein Trash Talk. „KG“ brachte es in diesem Punkt zur Meisterschaft. „In meiner ersten Saison hatte er es auf mich abgesehen. Er redete die ganze Zeit Trash. Noch nie hatte jemand so mit mir geredet“, sagte etwa Dirk Nowitzki einst über den Hall of Famer. Sein Verhalten zeigte Wirkung; in den Finals 2008 legte Garnett den Makel des Verlierens endgültig ab und krönte sich zum Champion. Sein Ausruf „Anything is possible“ im Anschluss an den vierten entscheidenden Sieg gegen die Lakers um Kobe Bryant ging dabei um die Welt. Zwar reichte es mit den Celtics nie mehr für den ganz großen Wurf, und auch seine Zeit bei den Nets werden viele am liebsten vergessen wollen, dennoch meisterte „KG“ wie sonst kaum ein Spieler den Spagat zwischen Loyalität, Erfolg und absoluter Dominanz. Oder wie es Chris Paul in seiner Rede zu seinem Rücktritt sagte: „Ich habe es gegen niemanden mehr gehasst, zu spielen als gegen Garnett. Gleichzeitig habe ich mir immer gewünscht, einmal mit ihm in einem Team zu sein.“

2008 feierte „KG” seinen ersten und einzigen NBA-Meistertitel. In den Finals setzten sich die Celtics gegen die L.A. Lakers durch.


Diese Story erschien zuerst in der BASKET 04/25.

Fotocredits: Getty Images

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