Russell Westbrook schloss die reguläre Spielzeit zum dritten Mal in Folge mit einem Triple Double im Schnitt ab – eine wahre Jahrhundert-Leistung, von der die Basketballwelt noch in Jahrzehnten sprechen wird. Doch in den Playoffs, als es wirklich zählte, da verblasste jeglicher Glanz im Handumdrehen. Gegen Portland setzte es das dritte Erstrunden-Aus in Folge – und nach seiner eigenen unterirdischen Leistung steht der Thunder-Superstar nun am Scheideweg seiner illustren Karriere!

Die letzten Sekunden im fünften Spiel der Erstrunden-Playoff-Serie zwischen den Portland Trail Blazers und den Oklahoma City Thunder ticken herunter. Damian Lillard dribbelt den Ball an der Mittellinie, macht einen Move zur Seite und drückt weit hinter der Dreierlinie ab. Der finale Buzzer ertönt und im selben Moment fällt der Ball durchs Netz. 118:115, das Moda Center bebt, die Blazers gewinnen dank Lillards 50 Punkten die Serie mit 4:1 und ziehen in die nächste Runde ein. Bevor „Dame“ unter dem Jubel seiner Teamkollegen begraben wird, winkt er den konsternierten Thunder ein letztes Mal zum Abschied. OKC-Superstar Russell Westbrook bekommt von der Ovation des Gegners nicht mehr viel mit, Augenblicke später ist er im Kabinengang verschwunden. Hinter ihm liegt ein weiteres Fiasko und vor ihm ein Sommer voller Fragen. Die größte davon lautet wohl, wie seine Karriere in Erinnerung bleiben wird?


Drei Mal hintereinander beendete Westbrook die reguläre Saison im Schnitt mit einem Triple Double, ein vorher nie dagewesenes und für unmöglich gehaltenes Kunststück. Es ist die Art von Meilenstein, an den man sich noch in Jahrzehnten voller Ehrfurcht erinnern wird. Doch wie es im Moment aussieht, wird der Sage von diesen Heldentaten ein großes „Aber“ folgen. Denn alle drei dieser magischen Saisons endeten für Westbrook und Co. in der ersten Playoff-Runde. Große Spieler werden ultimativ daran gemessen, was sie auf der großen Bühne der Postseason vollbringen. Genau hier blieb der Point Guard erneut weit unter seinen Möglichkeiten und sein Image leidet darunter wie nie zuvor.

Triple-Double
Westbrook (Foto: Getty Images)

Die Serie gegen Portland war nämlich nicht nur das Aufeinandertreffen von zwei ungeliebten Divisionsrivalen. Die größte Brisanz rührte aus dem Point-Guard-Duell zwischen Westbrook und Lillard. Beide haben ihre basketballerischen Wurzeln an der Westküste und wollten mit einer starken Postseason ihre Zugehörigkeit zum erlauchten Kreis der NBA-Elite beweisen. Westbrook goss in der Regular Season zusätzliches Öl ins Feuer, als er während einer Partie über Lillard zischte: „I‘ve been busting that ass for years.“ Laut Westbrook hätte er das persönliche Duell der beiden seit Jahren dominiert, für ihn stand außer Frage, wer der bessere Spieler sei. Wer sich verbal so weit aus dem Fenster lehnt, der liefert hinterher auf dem Court besser ab. Genau das tat Westbrook nicht, im Gegenteil. Er wurde von Lillard vorgeführt und bekam eine Lehrstunde darin, was es heißt, als Leader sein Team in der Postseason anzuführen.

Fragwürdige Entscheidungen

Die überragende Leistung von „Dame“ in Spiel fünf war dabei nur das Tüpfelchen auf dem I. 33,0 Punkte bei einer Wurfquote von 45,3 Prozent standen für Lillard zu Buche, zudem verteilte er sechs Assists im Schnitt. Westbrook kam zwar auf 22,8 Punkte und 10,6 Assists, doch seine unterirdische Feldwurfquote von 36,3 Prozent und reihenweise fragwürdige Entscheidungen sagten wesentlich mehr über seine Performance aus. Eine Szene mit Symbolcharakter lieferte der Angriff direkt vor Lillards Game-Winner. Westbrook dribbelte ohne Plan in die Zone und nahm einen fragwürdigen Wurf im Fallen. Es war sein 31. im Spiel, von denen er am Ende lediglich elf verwandelte. Sein Co-Star Paul George traf 14 seiner 20 Schüsse und drückte dem Spiel mit 36 Punkten seinen Stempel auf. Ein Point Guard muss das erkennen und dem richtigen Spieler den wichtigen Wurf überlassen, erst recht wenn er wie George in dieser Saison ein ernstzunehmender MVP-Kandidat war und noch dazu im Angriff zuvor getroffen hatte. Westbrook erkannte es nicht und unterstrich damit zum wiederholten Male sein fragwürdiges Urteilsvermögen.
In Spiel drei, dem einzigen Sieg der Thunder und Westbrooks einziger starker Partie mit 33 Punkten, schrie er nach einem erfolgreichen Postup gegen Lillard laut: „Er ist zu klein, um mich zu verteidigen!“ In besagtem Spiel drei stiegen auch Westbrooks Teamkollegen in den Trash Talk mit ein, ohne zu begreifen, dass die Serie noch lange nicht vorbei war. Der Sieger des Duells jedenfalls wählte einen wesentlich reiferen Ansatz. „Ich wollte mein Spiel für mich sprechen lassen“, so ein ruhiger Damian Lillard nach dem letzten Duell. „Er sagte, dass er mich sein Jahren vorgeführt hätte. Erstmal stimmte das nicht und zweitens war diese Serie der Moment der Wahrheit. Er hätte es vor allen beweisen können, doch jeder hat gesehen, was passiert ist.“

Westbrook
Russell Westbrook spielt seit 2008 in der NBA (Foto: Getty Images).

Jeder konnte sehen, wie unterschiedlich weit in ihrer Entwicklung als Anführer und Franchise-Player die beiden Guards waren. Alle bis auf einen – Russell Westbrook selbst. „Wer meine Karriere aufgrund von zwei oder drei Spielen bewerten möchte, der kann das tun“, sagte Westbrook hinterher. „Ich weiß, wer ich bin und Stimmen von außerhalb bedeuten mir nichts.“ Es sind aber eben nicht nur zwei oder drei Spiele aus diesem Jahr. Seit dem Wechsel von Kevin Durant nach Golden State, der angeblich genug hatte von Westbrooks Ego-Basketball, ist ein klarer Trend zu erkennen. Mit Durant schaffte es OKC vier Mal in die Conference Finals, einmal sogar in die NBA-Finals. Seit Westbrook zum unangefochtenen Leader aufstieg, gewannen die Thunder lediglich vier von 16 Playoffspielen. Sie spielten dabei die mit Abstand wenigsten Pässe der gesamten Liga, Westbrook traf stets weniger als 40 Prozent aus dem Feld und schoss extrem schwach von der Dreierlinie. Zu wenig für das Gesicht einer Franchise und einer Liga, in der er das zweithöchste Jahresgehalt aller Spieler einstreicht.

Westbrook
Westbrook (Foto: Getty Images).

Doch nicht nur auf dem Court leistete sich „Russ“ in den vergangenen Jahren Fehltritte. Seinem Image schadet zudem seine bockige Haltung gegenüber der Presse. Seit geraumer Zeit führt er einen kindischen Kleinkrieg mit den Medien, allen voran mit Barry Tramel von der Zeitung „The Oklahoman“. Auf etliche Fragen reagiert ein genervter und lustloser Westbrook nur noch mit einem kühlen „Next Question“, auch während der Portland-Serie. Ein Affront, der ihm heftige Kritik in NBA-Kreisen einbrachte. „Es ist einfach nur unprofessionell“, rügte unter anderem Hall of Famer Charles Barkley. „Russ ist ein guter Junge, aber das geht so nicht. Du verdienst nicht 30 oder 40 Millionen Dollar, nur um Basketball zu spielen. Mit der Presse zu reden gehört dazu, das muss er verstehen.“
Wie weit es allerdings mit der Selbstwahrnehmung von Russell Westbrook her ist, steht in den Sternen. Auch in der Saisonabschluss-PK der Thunder wies er jegliche Kritik von sich, schmatzte provizierend auf einem Kaugummi und erinnerte die Medienvertreter lieber an seine Errungenschaften als an sein Versagen gegen Portland. „Früher haben die Leute gesagt, ich würde den Ball nicht passen, dann habe ich die Liga drei Jahre bei den Assists angeführt“, entgegnete er auf die Frage, ob sein schwacher Sprungwurf ihm schaden würde. „Jetzt ist es eben der Jumper, dann werde ich halt ein besserer Werfer. Vielleicht stört sich dann jemand dran, dass mein linker Fuß größer als mein rechter ist.“ Außerdem untermauerte Westbrook, wo er sich selbst im Universum NBA sieht: „Niemand kann die Dinge tun, die ich seit Jahren tue. Wenn sie es könnten, würden sie es tun. Doch es kann niemand, das ist Fakt.“

Autor: Moritz Wollert

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