153 Spiele, EM-Silber, WM-Bronze und eine Olympia-Teilnahme – Dirk Nowitzki führte die deutsche Nationalmannschaft über knapp zwei Dekaden zu ungeahnten Höhenflügen. Nie gab es einen größeren Botschafter für den deutschen Basketball.

„Schaun mer mal!“ Mit diesen typisch Dirk’schen Worten antwortet Nowitzki direkt im Anschluss an das bittere Aus bei der Heim-EM in Berlin auf die Frage des ARD-Reporters Claus Lufen, ob dies sein letzter Auftritt im Trikot der Nationalmannschaft sei. Der „lange Blonde“ lässt sich eben nicht gerne in Karten schauen. Doch nur Momente danach, als das Aushängeschild der DBB-Auswahl noch einmal auf den mittlerweile leeren Court zurückkehrt und sich vor dem Publikum mit Tränen in den Augen verneigt, ist Nowitzki-Kennern klar: Der letzte Vorhang ist gefallen. Der 10. September 2015 wird als der Tag in die Analen eingehen, an dem der beste Basketballer, den Deutschland jemals gesehen hat, zum letzten Mal den Adler auf der Brust trug. 

18 Jahre vorher heißt der weltweit beste deutsche Basketballer noch Detlef Schrempf. Am 26. Februar 1997 hegen selbst die optimistischsten Experten nicht den Gedanken, dass ausgerechnet der an diesem Tag für die DBB-Auswahl debütierende Dirk Werner Nowitzki „Det the Threat“ jemals den Rang ablaufen könnte. Kein Wunder, schließlich reißt der 18-Jährige im Spiel gegen Portugal niemanden vom Hocker. Null Punkte stehen am Ende im Boxscore – den Namen Nowitzki kennen auch nach diesem Tag eher Anhänger der zweiten Deutschen Basketball-Liga, in welcher der Youngster für Würzburg aufläuft, als internationale Szene-Fachmänner.

Nowitzki
Im Schnitt erzielte Dirk Nowitzki in 153 Länderspielen 19,9 Punkte für die deutsche Nationalmannschaft (Foto: Imago Images /Camera 4

Seine Premiere allerdings wird bis zum Ende seine Nationalmannschaftskarriere das einzige Länderspiel bleiben, in dem der Power Forward keinen einzigen Punkt erzielt. Einen kleinen Anteil daran hat Stephan Baeck. Der Europameister von 1993 erinnert sich an Dirkules‘ erste Schritte auf internationalem Parkett. „Er stieß in meinem letztes Nationalmannschaftsjahr neu dazu. Wir waren auf einem Zimmer, als erfahrener Spieler sollte ich mich um ihn kümmern und ihm Tipps geben. Also habe ich ihm gesagt, er solle ruhig bleiben, alles langsam angehen lassen. Zwei Wochen später war er in der NBA“, schmunzelt der 133-fache Nationalspieler mit Blick auf die rasante Entwicklung des Mittelscheitel-Trägers. 

Nowitzkis Rookie-Saison bei den Dallas Mavericks verläuft zwar nicht sonderlich besser als sein Nationalmannschaftsdebüt, in der Folge geht es aber steil bergauf. In der DBB-Auswahl profitiert der wurfstarke Vierer vor allem vom im Sommer 1997 neu installierten Coach Henrik Dettmann, der ein Händchen für junge Spieler besitzt. 

Nowitzki zieht zum Korb. (Foto: Getty Images)

Erfolge stellen sich schnell ein: Bei der EM 1999 in Frankreich belegt die deutsche Equipe den 7. Platz, Nowitzki ist ihr Topscorer. Zwei Jahre später reicht es in der Türkei bereits für Platz vier. „The German Wunderkind“ zeigt erstmals international seine ganze Klasse und wird mit durchschnittlich 28,7 Punkten pro Spiel Scoring-Leader der EM. Der große Coup erfolgt 2002: Bei der WM in Indianapolis spielen Nowitzki und Co. wie entfesselt, das DBB-Märchen endet erst im Halbfinale gegen Argentinien. Am Ende steht ebenso verdient wie sensationell die Bronzemedaille zu Buche. Für den MVP Dirk Nowitzki ist es wie für den DBB insgesamt die erste Medaille bei einer Weltmeisterschaft.

Fahnenträger in Peking

2003 träumen die Dettmann-Jungs erneut von einer Medaille, doch die EM in Schweden endet mit einer herben Enttäuschung: Aus in der Zwischenrunde, die Olympia-Teilnahme 2004 (Athen) dahin.   Für seinen großen Traum – einmal bei olympischen Spielen auf dem Parkett zu stehen – schindet der Würzburger seinen Körper auch in den Folgejahren über die lange NBA-Saison hinaus. Während seine Kollegen den Sommer im Urlaub oder mit der Familie genießen, läuft Nowitzki im nun von Dirk Bauermann trainierten Team auf.

Der Aufwand wird belohnt. 2005 ballert Nowitzki die DBB-Auswahl erstmals in ein EM-Finale. Für einen den Titel reicht es für das Team um Mithat Demirel, Patrick Femerling und Marko Pesic nicht. Im Finale fehlt gegen Griechenland die Frische (62:78). Für Nowitzki ist es das persönlich beeindruckendste Turnier im Trikot der Nationalmannschaft. Überragende 26,1 Punkte, 10,6 Rebounds, 1,7 Assists und 1,9 Blocks pro Spiel machen ihn einmal mehr zum Most Valuable Player. Seinen Status als lebende Legende untermauert der „Lange Blonde“ ein Jahr später in Hiroshima. Mit 47 Punkten stellt er bei der WM in Japan am 25. August 2006 den deutschen Rekord für die meisten Zähler in einem Länderspiel ein – eine Marke für die Ewigkeit.

Unvergessen bleibt auch der Einmarsch der Nationen bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking, bei der Nowitzki als Fahnenträger ins Stadion einläuft. Mit der Olympia-Teilnahme verwirklicht sich der damals 30-Jährige einen großen Traum: „Es war einer der größten Ehren meines Lebens, das werde ich nie vergessen“, sagt er nachher. Und fügt typisch Dirk an, dass es ihm „fast ein bisschen peinlich [war]. Ich wollte keinem anderen deutschen Sportler auf die Füße treten, der es mehr verdient hat als ich.“ 

Aus sportlicher Sicht, sind seine besten Zeiten in der „Nati“ vorbei. In Peking scheidet das Team in der Vorrunde aus. Auf die EM 2009 verzichtet der Deutsche auf Anweisung der Dallas Mavericks, zwei Jahre später muss der Power Forward in Litauen den Traum von seiner zweiten Olympia-Teilnahme früh begraben. Nach dem Titelgewinn in der NBA ist dies allerdings verschmerzbar. Aufgrund seiner Leistungen wird Nowitzki 2011 als erster Mannschaftssportler in Deutschland zum Sportler des Jahres gewählt.

Nach einer vierjährigen Pause schließt Dirk Nowitzki das Kapitel Nationalmannschaft 2015. 153 Spiele, 3045 Punkte (bis heute Rekord), EM-Silber, WM-Bronze – Dirk Nowitzki hat (fast) alles erreicht. Der DBB verdankt Dirk nicht nur Titel und Rekorde, sondern vor allem einen großen Basketball-Hype, den der sympathische Würzburger entfacht hat. Vier Jahre nach dem Ende seiner Nationalmannschaftskarriere hat der beste deutsche Basketballer aller Zeiten nun auch in der NBA seine Laufbahn beendet. Als Botschafter des Sports wird er über die Landesgrenzen hinaus aber weiter unglaubliche Strahlkraft verbreiten – und vielleicht irgendwann auf Funktionärsebene dem deutschen Basketball zu noch mehr Ruhm verhelfen. 

Autor: Peter Stroß