Allonzo Trier hatte nicht viel Zeit. In der wichtigsten Nacht seines Lebens musste der 22-jährige Guard eine schnelle Entscheidung treffen. An 35. Stelle des NBA-Drafts 2018 hatten sich die Orlando Magic gerade für Melvin Frazier entschieden, nun waren die New York Knicks dran. Nicht nur eines von Triers absoluten Wunschteams, sondern auch die NBA-Franchise, die im Vorfeld des Drafts das größte Interesse an dem ehemaligen Arizona-Guard geäußert hatte. Als kurz darauf sein Handy klingelt, scheint klar: Das kann nur die Nachricht sein, dass die Knicks ihn an Nr. 36 nehmen. Doch der Team-Verantwortliche am anderen Ende der Leitung hat andere Nachrichten: Die Knicks reagieren darauf, dass Big-Man-Talent Mitchell Robinson überraschend noch verfügbar ist und stopfen ihre Lücke unterm Korb. Aber: Sie wollen Trier weiterhin, er müsste dafür allerdings ablehnen, von anderen Teams gedraftet zu werden. Eine harte Entscheidung, denn auch die Nuggets (Nr. 43), Wizards (Nr. 44) oder Rockets (Nr. 46) wollen ihn.

„Im Grunde haben mir die Knicks einen Deal angeboten. Ich habe mir aber auch andere Angebote angehört. Nichts davon hörte sich für mich nach der perfekten Lösung an“, erklärt Trier. Allerdings: In der Kürze der Zeit hat der Youngster eine lebenswichtige Entscheidung zu treffen: das abzulehnen, wovon Millionen junger Basketballer auf der ganzen Welt träumen – im NBA-Draft von Adam Silver seinen Namen zu hören. Triers Traum erfüllt sich, wenn er das Angebot der Knicks sausen lässt – und zerplatzt für immer, wenn er es annimmt. Doch er nimmt an und unterschreibt noch in der gleichen Nacht einen Two-Way-Contract mit den New York Knicks und dem -G-League-Team aus Westchester. Selbst GM Scott Perry will noch am gleichen Abend mit ihm sprechen. „Man hat die Enttäuschung in seiner Stimme deutlich gehört“, so Perry. „Es ist traurig, weil da keine 60 Jungs waren, die besser sind als ich“, sagt ihm Trier am -Telefon. „Nicht mal 20.“ 

Talent früh erkannt

Heute ist klar: Mit der Entscheidung, einen Traum aufzugeben, um einem anderen – dem, langfristig in der NBA zu spielen – eine bessere Grundlage zu geben, hat Allonzo Trier alles richtig gemacht. Der heute 23-Jährige gehört mittlerweile nicht nur fest zur Rotation der Knicks, sondern legt mit 10,3 PPS, 2,9 REB und 1,8 AS in nur 22,3 MIN eine durchaus beeindruckende Rookiesaison aufs Parkett des Madison Square Gardens. Und: Seit Dezember 2018 steht Trier fest unter Vertrag, hat einen Zweijahresvertrag über insgesamt sieben Mio. US-Dollar unterschrieben. Es ist der am höchsten dotierte Vertrag eines Spielers, der vorher in einem Two-Way-Contract an die Franchise gebunden war. Außerdem sind die 3,4 Mio. Dollar für 2018/19 das historisch höchste Rookie-Jahresgehalt eines ungedrafteten US-Spielers. „Ich weiß nicht, was im Draft passiert ist“, sagt Teamkollege Damyean -Dotson. „Wer diesen Typ nicht draften wollte, ist verrückt. Aber ich denke, wir haben uns einen echten Steal geschnappt.“

Allonzo Trier von den New York Knicks kommt im NBA-Spiel gegen die Atlanta Hawks mit einem Dunk zu Punkten.
Bereits in seinem ersten NBA-Spiel erzielte Trier 15 Punkte. Foto: getty images

Dabei ist die Tatsache, dass es der vielseitige Rechtshänder in die NBA geschafft hat, alles andere als eine Überraschung. Schon als 13-Jähriger erscheint ein Artikel à la „The next big thing“ über ihn in der New York Times. Schon damals staunen Basketball-Fans über seine langen Arme, mit denen er sich im bei geradem Stand fast am Knie kratzen kann. Früh ist klar: Gerade in Sachen „Scoring“ ist Trier ein Ausnahmetalent, das jede Basketball-Generation nur ein paar Mal ausspuckt. An der Highschool spielt er zunächst für OKC Storm, doch die Gegner sind zu schwach, um ihn zu stoppen. Er wechselt als Junior an die Montrose Christian School und liefert ähnliche Werte ab (25,2 PPS) wie Kevin Durant, der bis 2006 ebenfalls dort aktiv war. Doch Trier will mehr und geht als Senior zu Findlay Prep, der Ausbildungsstation, aus der NBA-Stars wie Avery Bradley oder Kelly Oubre hervorgegangen sind. Und überall hagelt es Punkte. „Schon in sehr jungen Jahren wusste ich, wie ich zu Punkten komme“, sagt Trier heute. „Es war irgendwie einfach für mich“, so der Guard, der 2015 Co-MVP des Jordan Brand Classics wird und dabei zum Beispiel dem heutigen Celtics-Star Jaylen Brown im direkten Duell 28 Punkte einschenkt.

In der Franchise akzeptiert

Nach seiner Highschool-Zeit entscheidet er sich für das College von Arizona – unter anderem, weil er zu Headcoach Sean Miller nach kurzer Zeit ein enges Verhältnis aufgebaut hat. Drei Jahre lang glänzt Trier für die Wildcats, wird in der renommierten Pac-12-Conference ins „Second Team“ (2017) und sogar ins „First Team“ (2018) gewählt. Bevor er sich 2018 zum Draft anmeldet, legt er 18,1 PPS, 3,2 AS und 3,0 REB auf. Für Miller ist der Fall klar: Dieser Junge gehört in die NBA. „Die Liga ist wie gemacht für Allonzo, weil er so ein überragender Scorer ist. Mit dem ganzen Platz, den die heutige Spielweise den Guards bietet, wird er in der NBA für eine lange Zeit viele Punkte auflegen“, ist der Wildcats-Coach schon jetzt überzeugt.

Dabei verlässt sich Trier aber nicht nur auf sein Talent, sondern auch auf zwei weitere, extrem wichtige Eigenschaften: seine herausragende Einstellung zum Basketball und seine Furchtlosigkeit auf dem Court. „Eines der Dinge, die wir an ihm so lieben, ist die Tatsache, dass er keine Angst hat – vor nichts und niemandem“, sagt Knicks-Coach David Fizdale, der bei jedem Spiel beobachten darf, wie Trier mit Ball in der Hand auch die Superstars der besten Basketball-Liga der Welt attackiert. Auch die Vorwürfe, sein Schützling vermeide gerne den Pass, um selbst zu glänzen, wehrt Fizdale ab. „Ich werde den Jungen so lassen, wie er ist. Er investiert viel in sein Spiel, vielleicht mehr als jeder andere in der Organisation. Er ist ein echter Wettkämpfer.“ Gut also, dass sowohl die Knicks als auch Trier im richtigen Moment erkannt haben, wie viel sie aneinander haben.