Dass der Draft-Jahrgang von 2018 ein ganz besonderer ist, weiß der NBA-Globus mittlerweile. Das heißt allerdings nicht, dass die Teams bei der Wahl ihrer Talente alles richtig gemacht haben müssen. Oder doch?

Der NBA-Draft beschäftigt Basketball-Experten traditionell über mehrere Monate. In welcher Reihenfolge werden die Teams die Talente auswählen? Welcher Youngster ergänzt welches Roster sinnvoll oder weniger sinnvoll? Welche Trades werden in der Draft-Nacht realisiert? Dass das Interesse an der jährlichen Rechteverteilung der Talente so groß ist, mag allerdings in der Vergangenheit auch regelmäßig daran gelegen haben, dass es grundsätzlich spannend ist, wenn neue Spieler in die Liga kommen – und eben weniger an der Qualität der Draft-Jahrgänge. Das war 2018 ganz anders! Mit Spielern wie DeAndre Ayton, ­Luka Doncic, Marvin ­Bagley III, Trae Young, Michael Porter Jr. oder Collin Sexton kommt einer der potenziell stärksten Jahrgänge der letzten zwei Dekaden auf die NBA zu – das macht die richtige Auswahl in der Draft-Nacht sehr wichtig, und zwar im Hinblick auf die mittelfristige Zukunft einer Franchise. Doch selbst nach dem Draft ist meist noch lange nicht zu bewerten, was die Teams richtig oder falsch gemacht haben. Wer hätte vor zwölf Monaten zum Beispiel geglaubt, dass die Utah Jazz mit einem Typen namens Donovan Mitchell (13. Pick) in den Topf mit Gold gegriffen haben?

BASKET analysiert für euch dennoch die Entscheidungen der einzelnen Franchises und kommt zu dem Schluss: Im Gegensatz zu früheren Jahren haben 2018 viele Teams viel richtig gemacht!

Draft-Analyse

Der No.-1-Pick stammt von den Bahamas und wuchs in schwierigen Verhältnissen auf (Foto: Getty Images).

Freshmen dominieren weiterhin das Bild

Da wären zum Beispiel die Phoenix Suns, die mit dem No.-1-Pick die Qual der Wahl hatten. Trotz einiger Gerüchte, dass Sloweniens Europameister-Coach Igor Kokoskov auf die Wahl von Luka Doncic drängen würde, mit dem er 2017 den EM-Titel gewann, entschieden sich die Suns für die Big-Man-Hoffnung DeAndre Ayton. Die klügere Wahl! Gestalter Doncic und Scorer Devin Booker hätten im Backcourt zwar auch harmoniert, allerdings ist das Suns-Roster mit einem starken Big Man wesentlich ausgeglichener. Dazu kommt, dass Phoenix nun nicht mehr so stark auf die (etwas wacklige) Entwicklung von Marquese Chriss und Dragan Bender im Frontcourt angewiesen ist.

Ayton ist im Übrigen auch Anführer der Gruppe, die einen wichtigen Trend in der NBA fortsetzt: Freshmen! Wie schon im Vorjahr ist die Top 10 gefüllt mit „One-and-done“-Spielern, diesmal fallen nur Doncic (Real Madrid) und ­Mikal Bridges (Nr. 10, drei Jahre am College) aus dem Muster, dass die Top-Youngster schon nach ­einem Jahr College in die NBA wollen. Dazu gehört auch, dass selbst die 19- oder 20-jährigen NBA-Anwärter oft schon NBA-­ready wirken – das war früher anders!

In diese Kategorie gehört auch Marvin Bagley III, der an Position 2 von den Kings gewählt wurde. „Er hat das Potenzial eines Andrew Wiggins, allerdings mit deutlich mehr Größe und mehr Hustle“, argumentiert Reid Forgrave von „CBS Sports“ für Bagley. Klar, als Spieler ist „MB3“ eine Verstärkung, allerdings gibt es auch Zweifel an der Entscheidung Sacramentos. Denn GM

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Marvin Bagley III war „ACC Player of the Year“ und kommt nach nur einem College-Jahr in die NBA (Foto: Getty Images)

und Co. haben weder die Chance genutzt, Doncic zu picken, noch haben sie einen Trade mit einem Team einfädeln können, das Doncic unbedingt haben wollte. An dieser Stelle wäre ein ähnlicher Deal wie zwischen Dallas und Atlanta (Trae Young plus Draft-Pick für Doncic) möglich gewesen, das hätte „Sac-Town“ sicher mehr geholfen als „nur“ Bagley. Auf der anderen Seite: So schlecht wie die Kings traditionell picken, wäre wohl jede Entscheidung kritisch beleuchtet worden.

Die Memphis Grizzlies und die Orlando Magic entschieden sich ebenfalls für Freshmen, wählten mit Jaren Jackson (Nr. 4, Grizzlies) und Mohamed Bamba (Nr. 6, Magic) sogar ähnliche Spielertypen aus. Memphis hat mit Jackson den besten Big-Man-Verteidiger des Jahrgangs bekommen, Jackson dürfte dafür sorgen, dass die Grizzlies auch weiterhin eines der härtesten Defensiv-Teams der Liga bleiben. Dass der 14. der letzten Saison im Westen seiner Linie treu bleibt, zeigt auch der zweite Pick: An Position 32 zogen die Grizzlies mit Jevon Carter einen knallharten On-Ball-Defender, der bei West Virginia zuletzt 3,0 ST verbuchte. Ein solider Backup für Mike Conley, gerade die Defense wird Carter einiges an Spielzeit einbringen.

Draft-Analyse

Luka Doncic wurde mit Real Madrid EuroLeague-Champion und krönte sich selbst zum MVP (Foto: Getty Images).

Bei den Magic stand eine Grundsatz-Entscheidung an: den zweiten Anker für das Big-Man-Line-up neben Isaac Bonga und Aaron Gordon an Land ziehen oder den Mangel an Talent auf den Guard-Positionen bekämpfen? Letzteres wäre mit Leuten wie Collin Sexton oder Shai Gilgeous-Alexander durchaus möglich gewesen, doch das Team aus Florida entschied sich für die Variante mit Bamba, dem „Einhorn“, der in den Pre-Draft-Workouts auf sich aufmerksam machte (siehe Text ab Seite 78). „Seine Länge, seine Athletik und sein defensives Potenzial machen ihn zum perfekten Anker für das Team“, findet Jeremy Woo von „Sports Illustrated“.

Thomas Werner

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