Bei Jamal Crawford dauerte es fast ein Jahrzehnt, ehe er seinen Traumjob fand. Und diesen nahm er dann auch nur zögernd an. Denn in den ersten acht Jahren seiner Karriere war der Point Guard mit dem herausragenden Ballhandling stets einer der verlässlichsten Scorer der NBA. Dennoch gelang es Crawford nie, sein Team in die Playoffs zu führen. „Ich war bekannt als guter Spieler in einem miesen Team. Ich kam irgendwann an einen Punkt, wo ich es satt hatte“, beschrieb er einmal sein damaliges Gefühlsleben. Erst 2009, als er von den Warriors zu den Hawks getradet wurde, änderte sich alles für den heute 38-Jährigen. Der Mann, der als Starter einst durchschnittlich 39,9 Minuten auf dem Hardwood stand, akzeptierte seine Bank-Roll. Ein Glücksfall für Atlanta und Crawford. Denn der Meister des Crossovers wurde zum „Sixth Man of the Year“ gekürt. Jene Auszeichnung, die in ein paar Jahren sogar nach ihm benannt werden könnte, denn Crawford wird noch zwei weitere Male zum besten Sechsten Mann ernannt. In die Playoffs schaffte er es, bis auf eine einzige Ausnahme, fortan in jeder Saison. „Ich hatte 18 Coaches in meiner Karriere“, sagt der Veteran und beginnt, sie alle der Reihe nach aufzuzählen. „Jeder hatte eine andere Auffassung, was die optimale Rolle für mich sei. Seit sich alle einig sind, dass ich ein Sixth Man bin, habe ich Ruhe. ich bin stolz auf meine Rolle.“

Jamal Crawford von den Minnesota Timberwolves im Duell mit MVP James Harden.

Jamal Crawford sucht noch immer nach einem Rosterspot für 2018/19.
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Dem Wechsel von einer größeren Rolle auf eine kleinere zu vollziehen ist selten einfach für einen Spieler. Vince Carter, zu Beginn seiner Karriere einer der größten Stars der Liga, tat es und spielt auch mit 41 Jahren noch immer in der NBA. Allen Iverson war seinerzeit nicht in der Lage, sich mit einer kleineren Rolle abzufinden und machte folglich seine letzte NBA-Partie im Alter von 34 Jahren. Auch Isaiah Thomas war nach seinem Trade zu den Lakers nicht bereit, von der Bank zu kommen, und betonte dies in gleich mehreren Interviews mit Nachdruck. Letztendlich akzeptierte „IT“ die neue, ungeliebte Rolle, um seine Karriere zu retten. Doch ohne die Bereitschaft, die Rolle anzunehmen und sie mit Einsatz und Wille auszufüllen, ist kein Spieler, unabhängig davon, wie gut er ist, ein wertvoller Sixth Man. „Man muss seine eigene Eitelkeit aufgeben. Man muss sich voll und ganz in den Dienst der Mannschaft stellen. Eigene Statistiken sind völlig egal“, erklärt Crawford. „Es ist eine Mentalitätsprüfung, denn man opfert etwas. Ich hätte nie gedacht, dass es ein so großes Opfer ist.“

Spieler, die diese Mentalitätsprüfung bestanden haben, wie Ginobili oder Allen, erhalten von ihren Mitspielern den größten Respekt.  „Er ist der härteste Kerl, den ich je gesehen habe. Er kämpft um jeden Screen, er verteidigt jeden Wurf. Er arbeitet verdammt hart. Er ist ein großartiger Spieler“, lobt „Big Spain“ seinen langjährigen Teamkollegen. „Man kann sich immer auf ihn verlassen. Jeder Spieler will 20 Punkte scoren, aber Tony hat kein Problem, 100 Sprints anzuziehen, um den gegnerischen Star auszuschalten und am Ende selbst nur vier Zähler aufzulegen.“