Wie abgezockt Luka Doncic sich in den letzten zwölf Monaten präsentiert hat, ist schon der Wahnsinn. Europameister? Check! Euroleague MVP? Check! Euroleague Final Four MVP? Check. Ganz souverän spielt der 19-jährige Slowene im Pick-and-Roll und passt zum richtigen Zeitpunkt zum richtigen Mitspieler. Für seine in Europa gezeigten Leistungen verdient er allerhöchsten Respekt.
Lassen sich diese Leistungen auch in der NBA umsetzen? Wird Doncic bei der NBA Draft am 21. Juni sogar an Nummer 1 gedraftet? Oder fällt er vielleicht sogar an Position 5 den Dallas Mavericks in den Schoß? Alles scheint derzeit möglich.
Diejenigen unter euch, die glauben, dass Doncic der nächste LeBron James, Kobe Bryant oder Michael Jordan wird, muss ich allerdings enttäuschen. Der 2,03 Meter lange Guard ist von seiner Mentalität her ein ganz anderer Spielertyp. Doncic fühlt sich sehr wohl in seiner Rolle als zweite Option in der Offense. Sein Wurf ist ordentlich, aber nicht großartig. Athletisch ist er auch eher durchschnittlich. Defensiv werden die NBA Guards ihn stehen lassen wie eine Fahnenstange. Offensiv ist er in der NBA eine Position 2/1, defensiv eher eine 3/4. Was ihn ausmacht, sind seine Passqualitäten und seine Basketballintelligenz. Meines Erachtens ist Doncic zum jetzigen Zeitpunkt viel weiter als alle anderen Spieler in der diesjährigen NBA Draft, aber sein Entwicklungspotential ist eher begrenzt. Das ist Kritik auf All-Star Level. Ich möchte festhalten, dass Doncic ein „Baller“ ist und ein sehr guter NBA Spieler werden kann.
Sollten die Phoenix Suns mit dem ersten Pick in der Draft Luca Doncic nehmen?
Igor Kokoskov ist neuer Head Coach der Phoenix Suns und ganz zufällig auch Coach der slowenischen Nationalmannschaft. Kokoskov und Doncic kennen sich in- und auswendig. Das ist ein dickes Plus. Vom Alter und seiner Position würde Doncic perfekt ins Team passen. Devin Booker und Doncic würden sicherlich gut harmonieren. Nun muss man aber wissen, dass die NBA eine Liga ist, bei der Politik eine große Rolle spielt. Da wäre zum einen der Center Deandre Ayton, der läuft und springt wie ein Reh. Wegen seiner Athletik und Körperausmaße ein „Freak of Nature“. Ayton ist 2,16 Meter lang, explosiv und hat ganz nebenbei in der Nachbarschaft der Suns bei der University of Arizona gespielt. Die Suns Fans kennen Ayton also schon und fordern seine Verpflichtung schon jetzt lautstark in den sozialen Medien. Da Doncic mit Real Madrid noch um die Meisterschaft mitspielt, hat sein Agent, Bill Duffy, ausgeschlossen, dass Doncic ein Probetraining für irgendein NBA Team absolviert. Duffy ist übrigens nicht nur der Agent von Doncic, sondern ganz nebenbei auch von Deandre Ayton. Klingt kompliziert, ist es auch. Es gibt sogar Gerüchte, dass die Suns bereit sind, ihren Lottogewinn gegen einen gestandenen Superstar zu traden. Wahrscheinlichkeit: 30%
Doncic nach Sacramento an Nummer 2?
Vlade Divac, der General Manager der Kings, würde Doncic bestimmt gerne im Team sehen, doch dazu kursieren genug Gerüchte, die etwas anderes vermuten lassen. Zum einen wäre da Doncic selbst, der indirekt mitbestimmen möchte, wo er nächste Saison spielen will. Denn noch kann Doncic einen Rückzieher machen und ein weiteres Jahr in Europa verweilen. Für einen Chaos-Klub wie den der Nordkalifornier möchte keiner so richtig spielen. Der Team-Besitzer, Vivek Ranadive, leitet die Kings wie einen Kiosk; ohne Plan und Ziel. Nicht umsonst werden deshalb des Öfteren Stimmen aus dem Lager der Kings laut, dass Ranadive die Franchise verkaufen möchte. Sportlich wird hinter vorgehaltener Hand davon gesprochen, dass die Kings mit dem zweiten Pick lieber einen Amerikaner als einen Europäer verpflichten möchten. Chance: 30%
Doncic an Nummer 3 nach Atlanta?
Dass Dennis Schröder in Atlanta unzufrieden ist, ist kein Geheimnis. Nicht erst seitdem der 24-Jährige aufgehört hat, den Hawks auf Social Media zu folgen. Das Tischtuch ist schon seit längerer Zeit zerrissen. Die Gerüchteküche brodelt. Nummer 17 zu den Knicks oder gar zu den Suns für den Nummer 1 Pick? Was wirklich passieren wird, steht in den Sternen, aber ob Lloyd Pierce der Richtige ist, um die Franchise sofort wieder Richtung Playoffs zu führen, wird sich zeigen. Luka Doncic passt da meines Erachtens nicht so ganz ins Bild. Auch aus der Ecke der Hawks hört man, dass sie nicht so gerne einen Europäer an Position 3 nehmen würden. Kann natürlich auch alles nur Draft-Taktik sein. Wahrscheinlichkeit: 20%
Doncic an Nummer 4 nach Memphis:
In Memphis lief letzte Saison alles drunter und drüber. Es geisterte durch die Gazetten, dass Coach David Fizdale gefeuert wurde, doch in Wahrheit nahm dieser in seiner zweiten Saison bei den Grizzlies von selbst den Hut. Es ist ein Trauerspiel, was da in der Führungsetage des Vereins abgeht, und es ist keine Besserung in Sicht. J.B. Bickerstaff soll als Cheftrainer das Ruder rumreißen, doch das ist auch mit dem vierten Pick in der Draft nicht zu meistern. Wäre ich Doncic, würde ich hoffen, nicht dort zu landen. Und wer will schon einen Spieler, der von Anfang an nicht wirklich mit Herzblut für die Franchise spielen möchte? Wahrscheinlichkeit: 10%
Doncic an Nummer 5 nach Dallas:
Dallas hat eine Außenseiterchance auf Doncic, und Doncic würde gut nach Dallas passen. Wenn keiner Doncic will, würden die Mavericks ihn wohl mit Kusshand nehmen. Dirk Nowitzki hat sich in einem Radiointerview positiv zu Doncic geäußert. Die Mavericks haben offensichtlich gute Erfahrungen mit internationalen Spielern gemacht und wären sicherlich bereit, Doncic ein Zuhause zu geben. Wahrscheinlichkeit: 10%
Wir werden bis zum Draft-Abend noch unendlich viele Gerüchte hören, aber bei keinem der Top-Spieler scheiden sich die Geister so sehr wie bei Doncic. Er sollte auf jeden Fall nicht seinen Namen von der Draft-Liste streichen lassen, denn so ein Bombenjahr ist auch von einem Luka Doncic nicht noch mal zu toppen. Am Ende des Tages ist Doncic ein „Hooper“, wie wir in Basketballkreisen sagen, der den Basketball liebt und es einfach drauf hat. Selbst mir fällt es schwer, keine Erwartungen an dieses riesige Talent zu haben und geduldig zu sein. Zu beeindruckend waren seine Leistungen in der jüngsten Vergangenheit. Obwohl ich ihm gönne, es allen Kritikern in der NBA zu zeigen, bin ich mir sicher, dass das Rookie-Jahr unglaublich schwierig für ihn wird. Der Druck, der auf ihm lastet, ist schon enorm. Hinzu kommt die Anpassung an eine neue Kultur und eine andere Form des Basketballs. Sollte er diesem Druck gewachsen sein, dann wird die Franchise, die ihn draftet, viel Freude an ihm haben. Fazit: er ist nicht der nächste Andrea Bargnani, alias „Draft Bust“, sondern der erste Luka Doncic. Drücken wir ihm die Daumen!
Der Autor:
Dean Walle ist Basketball-Journalist in den USA und schreibt direkt aus den Staaten für BASKET. Mit spitzer Feder und sportlichem Sachverstand nimmt er die Geschehnisse der besten Basketball-Liga der Welt in seiner neuen BASKET-Kolumne unter die Lupe.
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