Sein Wechsel nach Boston war umstritten, seine Gründe dafür aber klar wie Kloßbrühe: Kyrie Irving wollte endlich in einem Topteam der Chef sein. Nun erweisen sich die Celtics tatsächlich als erstklassig – doch das wirft die große Frage auf: Ist Kyrie schon so weit, der Master eines Meisterteams zu sein?

Als die Sirene ertönt, sind 19.596 Menschen auf der Tribüne in Feierlaune, von den paar Dutzend auf dem Court ganz zu schweigen. Binnen Sekunden ist vom Hardwood in der Oracle Arena in Oakland, Kalifornien, nichts mehr zu sehen, so schnell haben Feierwütige in Blau und Weiß den Floor gestürmt. Gerade haben die Golden State Warriors Game 5 der NBA-Finals 2017 mit 129:120 für sich entschieden. Damit ist klar: Die Cleveland Cavaliers sind geschlagen, der neue NBA-Champion kommt aus der Bay Area. Endstand in der Serie: 4:1 – eine Demütigung. Mitten in den Massen steht ein konsternierter junger Mann mit der Nummer zwei auf Brust und -Rücken seines schwarzen Trikots. Genau 358 Tage zuvor war Kyrie Irving hier, an gleicher Stelle, noch einer der gefeierten Helden gewesen, als er den Cavs mit einem Dreier „ins Gesicht“ von Steph Curry den Meistertitel 2016 besorgte. Und heute: Leere. Mit starrem Blick verfolgt „Uncle Drew“ die Meisterfeier der Warriors und verlässt schließlich die Halle. Doch nicht, ohne sich still und heimlich nach einem Stück Konfetti zu bücken und es mit nach Hause zu nehmen.

Das goldene „Überbleibsel“ aus dem Konfetti-Regen der Champion-ship-Feier hat Kyrie Irving noch heute. Er bewahrt es in seinem Spind im Herzen des TD Gardens in Boston auf. Das simple Stück goldenes Papier soll eine Erinnerung sein an die schmerzhafte Finals-Schmach und gleichzeitig ständiger Antrieb, genau diese Situation nie wieder erleben zu müssen. Negative Konditionierung, wäre in der Fachsprache wohl der passende Begriff. Pseudo-intellektueller Quatsch, meinen viele Beobachter. Auf der anderen Seite: Einem der behauptet, die Erde sei eine Scheibe (und der das nach jetzigem Kenntnisstand auch noch ernst meint), wie kann man dem ein Stück Papier in seinem Spind verdenken?

Die große Überraschung

Fest steht: Seit den NBA-Finals 2017 ist viel passiert rund um Kyrie Irving. Es hat nicht lange gedauert, bis die Trade-Forderung des No.1-Picks von 2011 das Cavaliers-Königreich in Aufruhr versetzte. Der Mann, der seit seiner Ankunft in der NBA nur das Trikot der Franchise aus Ohio getragen hatte, wollte kein Teil der Cavaliers mehr sein. Der zweitwichtigste Spieler des Teams, das dreimal in Folge in den Finals gestanden hatte, wollte Cleveland verlassen. Um selbst im Rampenlicht zu stehen, das stand für viele schnell fest. Als die Gerüchte um einen Trade zu den New York Knicks immer lauter wurden, schien die Sache klar: Kyrie wollte auf einer der großen Bühnen die Nr. 1 sein. Nicht mehr der Schattenmann von LeBron James. Doch die Gründe gingen über das Persönliche hinaus. „Ich wollte einfach in einer Umgebung sein, wo ich das Gefühl habe, dass ich jeden Tag etwas lerne. Wo der Coaching Staff viel von mir verlangt und die Franchise alles daransetzt, dass ich mein Potenzial ausschöpfe“, sagte Irving später, ein schöner Rundumschlag gegen Front Office und Coaching Staff der Cavaliers. Spätere Aussagen deuten sogar an, dass er schon wesentlich früher hätte gehen wollen. Allerdings: Die Saison 2014/15 endete mit einer gebrochenen Kniescheibe des Point Guards, 2015/16 mit der Championship. Beides nicht gerade die optimale Situation, um zu sagen: „Ich würde dann jetzt gehen.“ Also wartete Irving – und der für ihn richtige Moment sollte kommen.

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