Typischer Oakland-Style
Für Lillard ist sein NBA-Ruhm das zwischenzeitliche Ende einer langen Basketball-Odyssee, die in jungen Jahren in den Straßen von Oakland, Kalifornien, begann. Die Westküsten-Metropole verfügt über eine lange, reiche Basketball-Tradition. Hier ging ein junger Bill Russell auf Korbjagd, Demetrius „Hook“ Mitchell wurde zur tragischen Streetball-Legende, und zwei legendäre Point Guards machten die Stadt zu einem Playmaker-Mekka. Gary Payton und Jason Kidd wurden schon früh auf Lillard aufmerksam und sahen in ihm den Nächsten in einer langen Linie von Oakland-Point-Guards, denn er besaß all die Talente, die ebenjene ausmachen. „Er spielt genauso, wie man es in Oakland tut“, sagt der neunmalige All Star Payton über den neuesten Star aus der Bay Area. „Er hat diesen leichten ‚Swagger‘, und nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Auf den Courts und in den Gyms von Oakland wird man auf alles vorbereitet.“ Auch Lillard weiß um den Effekt, den seine Jugend auf sein Spiel hatte. „Ich habe schon als Teenager gegen all die Jungs gespielt. Kidd, Payton und auch Hook“, erinnert sich Lillard ganz besonders an ein Spiel gegen den Monster-Athleten, der sein Talent inmitten von Drogen, Kriminalität und Ziellosigkeit verlor. „Er verteidigte mich besonders hart. Ich glaube, sie wollten, dass ich merke, was es bedeutet, aus Oak-land zu stammen. Das half mir.“

Seine Wurzeln sind Lillard heilig. So ziert ein überdimensionales Tattoo mit dem Stadtnamen seine Brust, und auch die Trikotnummer 0 steht in seinem Fall nicht für die Ziffer, sondern für den Buchstaben O. Ein Stück weit sind diese Dinge- auch eine Erinnerung daran, dass es in seinem Basketballer-Leben nicht immer leicht war. Seine erste eigene Korbanlage war ein Milchkarton, der an einem Telefonmast angebracht war. In seiner Jugend spielte er manchmal in Cafeterias, in denen man aufgrund der niedrigen Decke nicht mal einen Jumpshot werfen konnte. Drei Mal wechselte er die Highschool, war kein gefragter College-Recruit. Doch er biss sich durch. wurde an der kleinen Weber State University zu einem der besten Spieler des Landes und würde früh von Portland gepickt. Und all das macht ihn heute zu einem besseren Spieler.

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Genau wie am College
Für Lillard ist die Situation in diesem Jahr in Portland nichts Neues. „Es erinnert mich ein wenig an meine College-Zeit bei Weber State“, so der Point-Guard, der in seiner Freizeit ein begeisterter Rapper ist und schon mehrere Tracks selbst aufgenommen hat. „Niemand glaubte an uns, wir waren keine großen Stars, doch wir gewannen als Team. Und genauso müssen wir es hier auch machen, natürlich auf einem anderen Level.“ Der Weg zum Erfolg ist steinig für die jungen Blazers, zunächst stehen 14 Siegen 21 Niederlagen gegenüber. Doch das Team findet sich, zieht in die Playoffs ein und schaltet dort als Nr. 5 sogar die favorisierten Clippers aus, die nach den Verlusten von Chris Paul und Blake Griffin nicht mehr mithalten können. Nicht gegen diese Blazers. Die Teamchemie stimmt, und Lillard kristallisierte sich als der unangefochtene Leader des Teams heraus. Als ein echter Franchise-Player.

Zu keinem Zeitpunkt wurde das deutlicher als Ende Dezember, als Lillard zum ersten Mal in seiner Karriere Spiele aufgrund einer Verletzung verpasste. „Meine Teamkameraden fingen an, mich Coach Lillard zu nennen“, lacht „Dame“, der aufgrund einer Fersenverletzung sechs Spiele aussetzen musste. „Ich versuchte einfach nur zu helfen, ich sagte jedem, wie ich Situationen sah oder wie wir gewisse Plays laufen könnten.“ Und wie war Coach Lillard so für seine Spieler? „Er war verdammt intensiv, ein harter Knochen“, erinnert sich Portland-Guard C.J. McCollum, der sich in dieser Saison zu einem richtigen Top-Scorer neben Lillard entwickelt, mit einem Augenzwinkern. „Er versteht das Spiel wie kein Zweiter und hat jedem von uns immens geholfen.“ Auch Terry Stotts sah während Lillards Verletzungspause eine neue Dimension in den Anführerqualitäten seines Top-Stars. „In Straßenkleidung ein Team zu führen ist alles andere als einfach“, so Stotts, dessen Team drei von sechs Spielen ohne Lillard gewann. „Doch für Damian war das überhaupt kein Problem, er hat die Mannschaft so gut unterstützt, wie es nur wenige in solch einer Situation können.“

Eine Frage der Zeit
Für Damian Lillard war das nur ganz natürlich. Wie die gesamte Saison bis dato, in der er zeigt, dass er ein echter Franchise-Player und NBA-Superstar für Portland sein kann. Eben nicht nur, weil er selber sein Spiel auf ein neues Level geschraubt hat, sondern gerade weil er seinen Mitspielern – und damit der gesamten Mannschaft – hilft, sich zu entwickeln. „Als er in die Liga kam, war er ein Scoring-Point-Guard, doch in den gut drei Jahren hat er sich zu so viel mehr entwickelt“, blickt Stotts auf Lillards Karriereverlauf. „Er ist von Haus aus ein Anführer. Seine Mitspieler respektieren ihn und würden für ihn durchs Feuer gehen. Ein besseres Kompliment kann es für einen Team-Leader gar nicht geben.“

Für Damian Lillard ist das aber nicht genug. Er wollte sich wieder im Locker-Room umschauen und mit seinen Teamkollegen Siege feiern und in den Playoffs kämpfen. Dass es irgendwann wieder so sein wird, war klar. Doch dass es bereits jetzt so weit war, zeigt, wie besonders diese Saison für Lillard und seine Portland Trail Blazers war.

Moritz Wollert