Kaum zu glauben, aber wahr: Die bittere Pleite der Mavs gegen die Heat jährt sich bereits zum 10. Mal. Die Enttäuschung für Superstar Dirk Nowitzki war auch deshalb so groß, weil zu diesem Zeitpunkt niemand wissen konnte, ob die Chance auf einen Ring jemals wiederkommen würde.

Dwyane Wade von den Miami Heat zieht im NBA-Finale 2006 an seinem Gegenspieler Dirk Nowitzki vorbei.

Fünf Jahre später trafen sich Dirk Nowitzki und Dwyane Wade in den Finals wieder.
Foto: getty images

Miami, 13. Juni 2006. Spiel drei in den NBA-Finals zwischen den Heat und den Mavericks. Es läuft das letzte Viertel in der ausverkauften American Airlines Arena. Der Videowürfel unter dem Hallendach zeigt noch exakt 6:34 Minuten an, als Dallas’ Point Guard Jason Terry einen freien Jumpshot trifft und der Vorsprung seines Teams auf satte 13 Punkte anwächst. Den komplett in Weiß gekleideten Miami-Fans steht der Schrecken in diesem Moment buchstäblich ins Gesicht geschrieben, schließlich deutet in den NBA-Finals alles auf eine klare 3:0-Führung für die Texaner hin. Doch was dann folgt, ist eine der spektakulärsten Aufholjagden der Playoff-Geschichte. Angeführt von Heat-Playmaker Dwyane Wade, der bereits 30 Punkte erzielt hat, arbeitet sich der Gastgeber Stück für Stück zurück in das Match. Bis zum Ende der Partie schraubt Wade sein Konto auf überragende 42 Punkte hoch, Miami gewinnt letztlich das schon verloren geglaubte Game 3 sensationell mit 98:96! „Die Basketball-Götter waren heute auf unserer Seite“, jubelt- Coach Pat Riley, „mehr kann man dazu nicht sagen.“ Auch Point Guard Gary Payton findet keine schlüssige Erklärung für das Geschehene: „Wahrscheinlich hat jeder in der Arena gedacht, dass wir schon verloren haben. Aber dann ist irgendetwas passiert, genau das war unsere Chance.“ Bei den Mavericks gibt sich Superstar Dirk Nowitzki, der wenige Sekunden vor Schluss den entscheidenden Freiwurf zum Ausgleich verworfen hat, nach der enttäuschenden Schlussphase gewohnt kämpferisch: „Jetzt haben wir eine spannende Serie, das wird mit Sicherheit ein richtiger Battle.“

Traum vom Titel
Nach einer wirklich engen Finalserie hatte es zuvor eigentlich nicht ausgesehen. Die Mavs, die als Vierter der Western Conference (60-22) in die Playoffs gegangen waren und genau wie die Heat zum ersten Mal überhaupt die Finals erreicht hatten, ließen Miami in den ersten beiden Heimduellen nahezu keine Chance. Game 1 ging mit 90:80 an Dallas, obwohl Nowitzki nur vier von 14 Würfen verwandeln konnte und damit weit hinter den Erwartungen zurückblieb. „Das war bestimmt nicht seine bestes Spiel. Heute haben wir nicht den echten Dirk gesehen“, gestand sein Trainer Avery Johnson. Dass er es deutlich besser konnte, zeigte „Dirkules“ genau drei Tage später in Game 2. Mit 26 Punkten hatte der 2,13-m-Hüne maßgeblich Anteil am 99:85-Sieg, der die Texaner beruhigt nach Florida reisen ließ. Die zurückgelassenen Anhänger in Dallas träumten schon vom Sweep, und gleichzeitig fanden auf kuriose Art und Weise konkrete Planungen für eine mögliche Siegesparade den Weg an die Öffentlichkeit. Doch das war eindeutig zu früh gefreut!

Wade schlägt zurück
Denn nach dem sensationellen Comeback-Sieg in Game 3 entscheiden die Heat auch Game 4 mit 98:74 für sich und gleichen die Serie zum 2:2 aus. Mavs-Coach Johnson ist außer sich und schickt seine Spieler zur Besinnung ins nahe gelegene Fort Lauderdale. Die Maßnahme zeigt im fünften Spiel zunächst Wirkung, die Mavs führen zwischenzeitlich mit mehr als zehn Punkten und spielen im letzten Viertel erfolgreich die „Hack-a-Shaq“-Taktik runter. Doch weil sich Wade mit 43 Punkten erneut in überragender Form präsentiert, geht der spannende Krimi nach Overtime mit 101:100 an Miami. Zum sechsten Spiel fliegen die Teams zwar wieder nach Dallas, doch auch der Heimvorteil hilft den demoralisierten Mavericks nicht mehr auf die Beine. Die Heat gewinnen mit 95:92 das vierte Spiel in Folge und feiern ihren ersten Meistertitel.

„Diesen Sieg habe ich bestimmt nicht alleine errungen. Das alles ging nur als Team“, freute sich Wade, der zu den vier Siegen im Schnitt unfassbare 39,3 Punkte beigesteuert hatte und völlig zu Recht zum MVP der Finals gekrönt wurde. Sein Teamkollege Shaquille O’Neal, der seinen vierten NBA-Titel feierte, urteilte nach dem Finalsieg über Wade: „Als ich ihn das erste Mal sah, wusste ich schon, dass er ein ganz besonderer Basketballer ist.“

Während die Gäste aus Florida ihr Glück kaum fassen konnten, versuchte sich Dallas-Eigentümer Mark Cuban über die bittere Niederlage zu trösten: „Wir müssen trotzdem einfach unglaublich stolz auf unser Team sein. Ich glaube, wir haben die Erwartungen an uns weit übertroffen.“ Auch Nowitzki war sichtlich bemüht, die Geschehnisse zu verarbeiten. „Es ist eine der größten Niederlagen in meiner Karriere, nach einer 2:0-Führung die Serie noch aus der Hand gegeben zu haben“, jammerte er. „Das dritte Spiel war entscheidend. Wenn wir das gewonnen hätten, wäre es wahrscheinlich vorbei gewesen. Vielleicht haben wir zu früh mit dem Feiern angefangen.“

Dass es für Nowitzki am Ende doch noch zum Happy End reichen würde, wusste er nach der Niederlage 2006 natürlich noch nicht. Doch genau fünf Jahre später stand „The German Wunderkind“ erneut gegen die Heat in den NBA-Finals, eine weitere letzte Chance sozusagen. Der Ausgang dürfte hinlänglich bekannt sein …

Dieser Text ist in der BASKET-Ausgabe 06/2016 (seit dem 18. Mai am Kiosk) erschienen.