In den USA beginnt im März wieder das NCAA-Turnier. Die besten Basketball-College-Teams treten gegeneinander an, um den „National-Champion“ zu küren. 2012 waren das beispielsweise Anthony Davis und seine Kentucky Wildcats. Diese konnten den Wettbewerb so souverän gewinnen und NBA-Scouts derart überzeugen, dass Davis an erster und Kentucky-Forward Michael Kidd-Glichrist an zweiter Stelle gedrafted wurden. Auch bietet es immer eine gute Plattform für Spieler, die zuvor wenig Aufmerksamkeit genießen konnten, sich in den Fokus der Scouts zu spielen. So führte Gordon Hayward das „kleine“ Butler bis ins Endspiel des Turniers und konnte sich 2010 so eine Top-10 Selektion im Draft sichern.

Doch dieses Jahr wird alles anders. Warum? Der vermeintlich beste Spieler des kommenden Drafts, Ben Simmons, spielt für die Louisiana State University, kurz LSU. Nun ist LSU zwar für guten College Sport bekannt, doch das gilt leider nur für American Football und nicht für Basketball. Selbst als Shaquille O´Neal die Schule besuchte, schied das Team schon früh aus dem Turnier aus. Dieses Jahr sieht es sogar danach aus, dass das Basketball-Team nicht einmal gut genug sein wird, um sich für das Turnier zu qualifizieren.

Obwohl bei LSU, alle lieben Simmons

Dennoch scheinen sich die Experten sicher zu sein, dass Power-Forward Ben Simmons das größte Talent im diesjährigen Draft ist. DraftExpress.com, NBADraft.net, sowie BleacherReport und ESPN sehen den Forward als besten Spieler. Während des Spieles von Kentucky gegen LSU verglichen die Kommentatoren den gebürtigen Australier mit Magic Johnson und LeBron James, ohne verlegen zu werden. Derartige Vergleiche sind sicherlich etwas überzogen, dennoch bringt Simmons ein wirklich einzigartiges Skillset mit sich. 

Ben-Simmons

Die meisten Experten sehen Ben Simmons als ersten Pick im Draft.
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Mit 2,08 Meter hat Simmons das Ball-Handling eines Point-Guards. Und nicht nur das Handling ist das eines Point-Guards, auch seine Court-Vision und Passing-Skills sind außergewöhnlich für einen Forward. Immer wieder schafft er es, seine Mitspieler perfekt in Szene zu setzen. Auch ist er physisch seinen Gegenspielern überlegen. Musste Anthony Davis sich nach seiner Rookie NBA-Saison stundenlang in den Kraftraum begeben, um die nötige Masse für die Paint zu generieren, zeigt sich Simmons jetzt schon weit entwickelt. In dieser Hinsicht ähnelt er Blake Griffin zu seiner Zeit an der Oklahoma University. Auch dieser schnappt sich einen Rebound nach dem nächsten und leitete sofort einen Fast-Break ein. Kaum einer schafft es, Simmons während des Fastbreaks zu stoppen. Hier wird Simmons auch in der NBA sofort effektiv sein. Mit seinem Ballhandling und seiner Fähigkeit zu rebounden, wird er sich in der NBA während des Fastbreaks schnell Respekt verdienen.

Für LSU legte Simmons bisher 20 Punkte, zwölf Rebounds und fünf Assists auf. Dazu kommen noch zwei Steals und ein Block pro Spiel. Mit seiner Physis sollte er in der NBA fast jede Position verteidigen können. Eine Eigenschaft, die nur eine Handvoll Spieler derzeit mit sich bringen. So gesehen erinnert er ein bisschen an Draymond Green von den Golden State Warriors. Die größte Schwäche von Simmons ist sein wackliger Jumpshot. Doch auch hier ist es fraglich, ob dieser sich im nächsten Level nicht stabilisiert. Anthony Davis traf im College wenig von außen. Mittlerweile trifft er aus dem Halbfeld so sicher wie kaum ein anderer. Simmons ist seinen Gegenspieler derzeit so überlegen, dass er seinen Jumper nicht anwenden muss. Fakt ist: Seine Wurfform stimmt und durch harte Arbeit lässt sich der Wurf immer verbessern. Grundsätzlich sind sich fast alle einig: Ben Simmons wird der erste Pick im 2016 Draft sein – wäre da nicht Duke´s Brandon Ingram.

Duke´s Brandon Ingram der einzige Konkurrent

Brandon Ingram hat die Chance, die Simmons wahrscheinlich nicht haben wird: Er kann die Scouts im NCAA Turnier davon überzeugen, dass er sein Team zu einem Titel führen kann. Sollte ihm das gelingen, müssten die Scouts die Situation neu evaluieren.

Brandon-Ingram

Für Ingram spricht unter anderem eine Dreierquote von 41%.
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Dass es mittlerweile Diskussion über den ersten Pick gibt, zeigt, wie sehr sich Ingram derzeit in den Fokus spielt. Simmons gilt immer noch als klarer Favorit, dennoch weiß der Flügelspieler immer mehr zu überzeugen. Wenn der Small-Forward die Arme ausbreitet, kommt er auf einen Wing-Span von ganzen 2,15 Metern. Dabei misst er selbst 2,05 Meter und ist dennoch agil genug, um einen Shooting-Guard zu verteidigen. Seine Physis erinnert schwer an Kevin Durant, was gleichfalls seine Kritiker veranlasst, ihn aufgrund fehlender Stärke zu kritisieren. Dennoch kommt Ingram auf fast zwei Blocks und einem Steal pro Spiel. Insgesamt scort Ingram 17 Punkte und holt sich sieben Rebounds pro Spiel.

Was Ingram von Simmons unterscheidet ist der Jumper. Brandon Ingram wirft 41%  hinter der Dreipunkte-Linie. Sein Release ist schnell und er weiß es, seine Füße richtig zu setzen, um den perfekten Punkt zum Absprung zu finden. Auch hier ist der Vergleich mit Kevin Durant akkurat.

Dieser scorte an der University of Texas 25 Punkte pro Spiel und traf 40% seiner Dreier. Zwar kommt Ingram nicht auf die gleiche Punktzahl pro Spiel, doch lässt Mike Krzyzewskis System bei Duke nicht mehr als zwölf Wurfversuche pro Spiel zu. Im Vergleich: Durant nahm 18 Würfe pro Spiel. 

Gibt das System den Ausschlag?

Alles in allem ist Simmons der bessere Spieler. Zwar haben beide Spieler das Potenzial zum All-Star. Ben Simmons ist mit seiner überragenden Physis und seinem Spielverständnis ein Einhorn auf dem Court.

Aber genau das könnte auch den Ausschlag für Brandon Ingram geben. Wer Simmons drafted, muss sein System auf ihn ausrichten. Das heißt, einen Rim-Protector als Center, plus drei Scharfschützen, die Simmons mit Assists füttern kann. Sollte das gegeben sein, dürfte es keine großen Überlegungen geben, wer an erster Stelle geht. Falls nicht, wird es interessant: Ingram ist ein Jahr jünger als Simmons und hat alle Attribute für eine rasante Entwicklung. Sein Jumper ist Top und seine Länge phänomenal. Diese Eigenschaften kann jedes Team gebrauchen und im Gegensatz zu Simmons wird Ingram die Chance haben, diese auf großer Bühne während des March Madness zu demonstrieren. Doch sollte Ingram nicht überragen und Duke zum zweiten mal in zwei Jahren zum Champion küren, dürfte die Mannschaft mit dem ersten Pick auf Einhorn-Jagd gehen.