Als die Schlusssirene im Telekom Dome zu Bonn ertönt, herrscht eine eigenartige Stimmung: Einige Zuschauer sind ruhig und verlassen umgehend die Halle, wenige klatschen hämisch Beifall, rund 30 polnische Anhänger feiern und wiederum andere sitzen regungslos, mit leerer Miene auf ihren Stühlen. Auf dem einen Halbfeld des Parketts stehen die Spieler der Deutschen Nationalmannschaft, hängende Schultern und enttäuschte Blicke. Auf der anderen Seite feiern die Polen, als hätten sie in diesem Moment den WM-Titel im Finale gegen die USA gewonnen. Dieser Abend ist aus deutscher Sicht nur mit einem Wort zu beschreiben: bitter!

Versuchte, das Team mitzureißen und war bester Mann auf dem Feld: Dennis Schröder.

Versuchte, das Team mitzureißen und war bester Mann auf dem Feld: Dennis Schröder. (Foto: Imago/ Wolter)

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Es ist Mittwochabend, der 20. August 2014, die Deutsche Basketball-Nationalmannschaft hat soeben mit 76:88 gegen die Auswahl Polens verloren und damit die zweite Niederlage in der Qualifikation für die Europameisterschaft 2015 einstecken müssen – erneut gegen Polen, die sie „unbedingt schlagen“ wollte! Die Hoffnungen auf eine EM-Teilnahme sind damit zwar noch nicht begraben, denn die DBB-Herren können immer noch als einer der „besten Zweiten in der Quali“ weiterkommen, doch dafür müssen sie zwingend ihre Hausaufgaben erledigen und in den kommenden beiden Partien gegen Österreich sowie Luxemburg Siege einfahren.

Nach dem Dämpfer aus dem Polen-Spiel muss man allerdings zurecht zittern: Die Zeit, in der die deutschen Basketballer solche Gegner überrennen und in den Schatten stellen, scheint immer noch nicht wiedergekommen zu sein. Und speziell gegen das Team aus dem ehemaligen Kaiserreich hatten die Deutschen im ersten Duell bereits Schwierigkeiten, weshalb die Begegnung am Sonntag durchaus brisant wird. Im Vergleich zum Polen-Spiel müssen sich die DBB-Korbjäger in vielen Aspekten steigern.

Einfach zu viele Mängel

Da wäre zum einen die Defense: 88 polnische Zähler waren am Mittwochabend schlicht zu viel und nicht akzeptabel! Unter dem Korb gestatteten die Deutschen den Gästen in der ersten Halbzeit und speziell im ersten Viertel einfach zu viele freie Würfe, was die polnischen Spieler zu nutzen wussten. Oftmals wirkten die DBB-Herren nicht wach, ließen unnötige Backdoor-Cuts zu und kamen den berühmten Schritt zu spät. Den größten Profit schlugen die Polen von der Dreierlinie: 50 Prozent Trefferquote von Downtown über das gesamte Spiel waren ein weiterer Beweis für die schwache Defensive der Deutschen.

Allerdings bekleckerte sich die Auswahl von Headcoach Emir Mutapcic vor allem im Angriff nicht mit Ruhm: Die 17 Ballverluste sind ein Thema für sich, aber das schmerzhafte war die Bewegung in der Offense. Entweder liefen die Deutschen Pick-and-Roll, was die Polen aber durch aggressives Doppeln des Ballführenden zu neutralisieren wussten, oder spielten Eins-gegen-Eins von der Dreierlinie. Das Problem dabei: Die Last lag auf zu wenigen Schultern. Nur Dennis Schröder (20 Punkte, sieben Assists), Daniel Theis (20, sieben Rebounds) und Robin Benzing (19, fünf Rebounds) übernahmen Verantwortung und kreierten. Die anderen Spieler passten den Ball – und die damit verbundene Verantwortung – weiter und fungierten vielmehr als Statisten. Ohne jemanden persönlich kritisieren zu wollen, aber das kann nicht der Anspruch einer deutschen Basketball-Nationalmannschaft sein.

Unter dem Brett mussten Daniel Theis und Co. einiges einstecken.

Unter dem Brett mussten Daniel Theis und Co. einiges einstecken. (Foto: Imago/ Wolter)

Neben der fehlenden Bewegung und Spielfreude in der Offense sowie den Schwierigkeiten und Lücken in der Verteidigung vermisste man aber auch etwas bei den DBB-Herren. Während die Polen hochmotiviert, aggressiv und eingespielt wirkten, war bei vielen Deutschen das Gegenteil der Fall. Das Gefühl, dass nicht alle DBB-Akteure mit 100 Prozent agierten und die Systeme im Angriff nicht griffen, ließ einen nicht los. Bezeichnend war die Aussage Emir Mutapcic’ nach der Niederlage: „Wir haben keine Lösung gegen das Doppeln der Polen bei unserem Pick-and-Roll gefunden. Ich weiß nicht, warum wir so energielos waren.“ Klingt das nach einem Coach, der seinen Gameplan und das Gefühl für seine Mannschaft verloren hat?

Die Kritik an Mutapcic war jedenfalls in der gesamten Halle aufzuschnappen: Keine Varianten in der Defense und erhebliche Probleme mit den Systemen im Angriff. Teilweise bekamen die Deutschen beim Einwurf den Ball nicht ins Feld, weil ihnen die Polen auf den Füßen standen – und perfekt auf die Systeme der Deutschen vorbereitet waren? Oder können die Spieler das vom Trainer Geforderte auf dem Parkett nicht umsetzen? Fakt ist, dass eine Truppe mit Dennis Schröder, Heiko Schaffartzik, Daniel Theis, Robin Benzing und Elias Harris nicht gegen Polen – das ist nicht despektierlich gemeint – verlieren darf!

WDR überträgt live

Aber es geht weiter und die Hoffnung ist ja auch noch nicht verloren: Nach der Schmach gegen die Polen stehen die Deutschen aber mit dem Rücken zur Wand. Gegen Österreich müssen sie gewinnen – um jeden Preis. Sonst war es das wohl mit der EM 2015 und dann wohl auch mit … ihr wisst schon, wessen Comeback im DBB-Trikot ich meine.

Das Spiel der Deutschen am Sonntag (14 Uhr) in Hagen gegen Österreich wird im WDR-Fernsehen live übertragen. Wir werden wieder einschalten und hoffentlich eine bessere DBB-Auswahl sehen, denn das nötige Potenzial hat sie. Die Frage ist nur, ob sie es abrufen kann!

Ratlos: Nach der Partie konnte Emir Mutapcic den Auftritt seiner Mannschaft nicht erklären.

Ratlos: Nach der Partie konnte Emir Mutapcic den Auftritt seiner Mannschaft nicht erklären. (Foto: Imago/Wolter)