Wie lange soll ein Basketballer am College aktiv sein, ehe er in die NBA wechseln und Profi werden darf? Es ist diese Frage, die sich hartnäckig hinter den aktuellen Themen in der besten Basketballliga der Welt hält und immer mehr Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Einige fordern eine Altersbeschränkung, durch die College-Jungs erst ab einem gewissen Alter in die NBA wechseln dürfen. Andere wollen daran festhalten, dass alles so bleibt wie bisher. Und wiederum andere wollen die Zeit am College verlängern.

Silver: „Zwei Jahre sind gute Balance.“

NBA-Commissioner Adam Silver kommentierte jüngst höchstpersönlich die Diskussion und sagte: „Ich denke, dass zwei Jahre am College die beste Balance bieten. Aber ich kann die Positionen, die in dieser Diskussion eingenommen werden, nachvollziehen.“ Vor allem zwei Argumente sind es, die Silver beschäftigen: „Auf der einen Seite stehen jene, die sagen, dass man ab 18 selbst seinen Lebensunterhalt verdienen soll und darf. Auf der anderen Seite jene, die denken, dass die NBA eine bessere Liga wäre, wenn die Spieler länger am College blieben.“

Eine schwierige Entscheidung also? Nein!

Mal ehrlich: Kurz oder lang – beides geht!

Was wäre beispielsweise mit Jungs wie Kevin Durant, Kevin Love, Derrick Rose und Anthony Davis? Diese vier Spieler haben allesamt nur ein Jahr am College verbracht, wechselten als Jungspunde in die NBA und entwickelten sich innerhalb von zwei Jahren zu Superstars! Kevin Durant (20,3 PPS, 4,4 REB, 2,4 AS, 1,0 ST und 0,9 BL) schlug als Rookie richtig ein, Kevin Love (11,1 PPS, 9,1 REB und 1,0 AS) deutete in seiner Debüt-Saison sein „Double-Double-Maschine-Potenzial“ an, Derrick Rose (16,8 PPS, 6,3 AS, 3,9 REB) entwickelte sich als Frischling zum Anführer der Bullenherde und Anthony Davis (13,5 PPS, 8,2 REB, 1,8 BL und 1,2 ST) wuchs als Neuling schon zum neuen Franchise-Player der New Orleans Hornets heran. Entscheidend ist dabei, dass sich alle vier in ihren nächsten Jahren weiterentwickelten und mittlerweile Aushängeschilder der Liga sind: Allesamt All-Stars, Weltmeister und/oder Olympiasieger. Wofür hätten sie also ein Jahr länger am College bleiben sollen?

Kevin Durant kam nach einem Jahr (25,8 PPS und 11,1 REB) bei der University of Texas at Austin in die NBA.

Kevin Durant kam nach einem Jahr (25,8 PPS und 11,1 REB) bei der University of Texas at Austin in die NBA.

Ist doch ganz klar, wird jetzt so mancher sagen: Damit sie noch mehr reifen und sich besser entwickeln können. Schließlich gibt es diese Spieler, die zeigen, dass dieser Weg der richtige ist. Beispielsweise Tim Duncan und Damian Lillard, die beide jeweils vier komplette Jahre am College bestritten und erst dann zum Sprung in die NBA ansetzten. Sowohl bei Tim Duncan als auch bei Lillard zahlte sich das lange College-Engagement in jeder Art und Weise aus. In seiner Rookie-Saison (21,1 PPS, 11,9 REB, 2,7 AS und 2,5 BL) glänzte der Center für San Antonio, während der Point Guard als Newcomer (19,0 PPS, 6,5 AS und 3,1 REB) in Portland für Furore sorgte.

Tim Duncan spielte vier Jahre für die Wake Forest University und wechselte 1997 in die NBA.

Tim Duncan spielte vier Jahre für die Wake Forest University und wechselte 1997 in die NBA.

Zur Erinnerung: Es geht auch ohne College!

Aber mal ehrlich: Wo können sich Top-Spieler – und von denen reden wir hier. Es sind ja nicht Travis Outlaw, Carrick Felix, Bernard James oder Dexter Pittman, die wir sehen wollen. Es sind die Superstars, die Vorbilder, die Persönlichkeiten – besser entwickeln als in der besten Basketballliga der Welt? Um ihr Potenzial der Top-Talente perfekt ausreizen zu können, müssen die Jungs in die NBA, viel Spielzeit erhalten und ordentlich Verantwortung übernehmen. Ich meine, wie kann man sich am besten weiterentwickeln und zum Superstar reifen? Nur im direkten Duell mit den besten Spielern und Mannschaften dieser Welt!

Aber – und das wissen wir ja alle aus der Pädagogik, Biologie sowie Psychologie – da sich jeder Mensch unterschiedlich und individuell entwickelt, sollte auch jeder Akteur die Möglichkeit haben, selbst entscheiden zu können, wann er den Schritt wagen will.

Kevin Garnett kam 1995 direkt von der Highschool (Farragut Career Academy in Chicago, Illinois) nach Minnesota.

Kevin Garnett kam 1995 direkt von der Highschool (Farragut Career Academy in Chicago, Illinois) nach Minnesota.

Und genau deswegen sollte es auch keine Begrenzung der Collegezeit geben. Mal ganz abgesehen davon, dass Jungs wie Kevin Garnett (10,4 PPS, 6,3 REB, 1,8 AS, 1,6 BL, 1,1 ST) und LeBron James (20,9 PPS, 5,9 AS, 5,5 REB, 1,6 ST) als Rookies überzeugten, ohne am College gespielt zu haben. Auch Kobe Bryant kam direkt von der Highschool in die NBA, wenn gleich er in seiner ersten Saison nicht so starke Stats auflegte (7,6 PPS, 1,9 REB, 1,7 AS). Fakt ist aber auch hier, dass sich alle drei Talente zu absoluten Superstars der Liga entwickelten und eines Tages als einer der besten Spieler auf ihrer jeweiligen Position in die Geschichte sowie die Hall of Fame eingehen werden.

Adam Silver und Co. sollten den Spielern also selbst überlassen, ob sie eine, zwei, drei oder vier Saisons am College verbringen möchten, ehe sie in die NBA wechseln. Beenden wir diese Debatte doch einfach. Man muss nicht alles ändern. Und wenn das sportliche Talent einen Wechsel in die NBA erlaubt, dann muss er auch folgen dürfen. Es ist also nur fair gegenüber der Jungs, wenn sie frei wechseln dürfen. Frei…

Henning Kuhl