Drazen Petrovic wäre heute 49 Jahre alt geworden. Doch der Basketballstar aus dem ehemaligen Jugoslawien verunglückte vor 20 Jahren bei einem Autounfall tödlich. BASKET blickt zurück auf den ersten NBA-Star, der aus Europa kam.
In seiner Heimat Kroatien ist Drazen Petrovic mehr als nur ein Star gewesen. Er war ein Volksheld. Als der Guard der New Jersey Nets 1993 bei einem Autounfall ums Leben kommt, wird er endgültig zum Mythos …
Tragischer Unfall
Spannung, ausgelassene Stimmung und Begeisterung: Die NBA-Finals zwischen den Chicago Bulls und den Phoenix Suns 1993 sollten das Highlight einer langen Saison werden. Doch nun herrscht im United Center in Chicago am 9. Juni andächtige Stille – wie bei einer Beerdigung. Gebannt schauen 20.000 Menschen auf den gigantischen Video-Würfel unter der Hallendecke, blicken in das Gesicht des kroatischen NBA-Stars der New Jersey Nets. Sie schauen auf zu Drazen Petrovic. Plötzlich reißt die Anhänger die Stimme des Hallensprechers aus ihrer stillen Andacht. „Die NBA und ihre Spieler möchten der Familie und den Freunden von Drazen Petrovic ihr Beileid aussprechen. Bitte erheben Sie sich für eine Schweigeminute.“ Hastig werden Popcorn-Tüten und Pepsi-Becher unter den Stühlen verstaut, dann erweisen die Fans einem der besten Basketballspieler aller Zeiten die letzte Ehre.
Nur zwei Tage zuvor, am 7. Juni 1993, war Petrovic bei einem tragischen Autounfall zu Tode gekommen. Auf regennasser Fahrbahn rast die deutsche Lebensgefährtin des kroatischen Nationalspielers auf der A9 in Höhe Ingolstadt in einen querstehenden Lkw. Beifahrer Petrovic, damals 28 Jahre, stirbt noch an der Unfallstelle. Den Fans ist klar: Nie wieder wird die Nummer 3 von New Jersey einen seiner gefürchteten Distanzwürfe abfeuern. Nie mehr mit Gary Payton um den Titel des dreckigsten Trash-Talkers streiten. Und nie mehr seine beiden Fäuste jubelnd zur Hallendecke recken – wie er es stets nach einer gelungenen Aktion getan hatte. Als die Nachricht von Petrovics tragischem Unfall die Heimat erreicht, tritt hier selbst der schreckliche Balkankrieg kurzzeitig in den Hintergrund. Egal, ob Kroate, Serbe oder Bosnier – Drazen Petrovics Tod scheint die slawische Seele tief zu berühren. Welcher ethnischen Gruppe sie auch angehören, dieser Basketballer eint sie alle. Er ist ihr Anker im Strudel der Gewalt.
Magic Johnson des Balkans
Aber wer war dieser Mann? Der nur mit einem Basketball bewaffnet die Welt erobern wollte. Drazen Petrovic wird am 22. Oktober 1964 in Sibenik, einer kleinen Hafenstadt an der Adria-Küste, geboren. Mit 13 Jahren beginnt er mit dem Basketball, und schnell wird klar: Der ehrgeizige Bursche hat deutlich mehr Talent als all seine Altersgenossen. Und er besitzt eine weitere Gabe: Er ist fleißig. Ein harter Arbeiter, der wie besessen an seinem Spiel feilt. Für die Basketballfans wird Drazen dann in den 80er Jahren ein Held. Einer, der seine Zukunft selbst in die Hand nimmt. Der im Vielvölkerstaat Jugoslawien für eine bessere Zukunft steht. Der als Basketballer und Playmaker von niemandem zu stoppen ist. Als Dribbler. Als Passer. Als Schütze. Regelmäßig liefert der gefürchtete Dreierschütze 60 Punkte und mehr pro Partie ab. Als Petrovic dann 1984 zum Meisterklub Cibona Zagreb wechselt, gilt er längst als Magic Johnson des Balkans. Mit dem Traditionsverein wird der Spielmacher Jugoslawischer Meister und Pokalsieger und gewinnt den Pokal der Landesmeister gegen Real Madrid (mit 36 Punkten von Petrovic). Die Spanier nehmen ihn dann 1988 selbst unter Vertrag, aber Jugoslawiens Exportschlager zieht es weiter weg.
Wechsel in die NBA
„Ich fühle mich reif für die stärkste Liga der Welt“, sagt er selbstbewusst. Die Portland Trail Blazers, die ihn bereits 1986 gedraftet hatten, machen 1989 schließlich von ihrem Transferrecht Gebrauch. In Portland wird er aber nie glücklich. Zurückgeworfen von zahlreichen Verletzungen, kommt er hinter Stars wie Clyde Drexler und Terry Porter nicht richtig zum Zug. Dafür glänzt er im Auftrag seines Heimatlandes, holt mit Jugoslawien Olympia-Silber 1988 in Seoul und 1990 den Weltmeistertitel. Für die Fans daheim wird er endgültig zur Ikone, als er 1992 in Barcelona seine zweite Olympische Silbermedaille gewinnt, diesmal im Nationaltrikot des inzwischen unabhängigen Kroatien. Nach dem Trade zu den New Jersey Nets 1991 erobert Petrovic auch die NBA, wird zum ersten Europäer, der in der Liga respektiert wird. Zu Recht: Mit 20,6 Punkten im Schnitt bei einer Quote von 50,8 Prozent aus dem Feld steigt der Guard schon in seiner zweiten Nets-Saison in die Elite der NBA auf. „Ich bin nach einer langen Reise endlich angekommen“, verrät er damals. Findet sogar Michael Jordan: „Es war immer eine Herausforderung gegen Drazen zu spielen. Ich habe selten einem aggressiveren Spieler gegenübergestanden. Er ist unglaublich.“ Derart geadelt setzt Petrovic 1993 neue Maßstäbe. Mit 22,3 Punkten wird er nicht nur bester Schütze der Nets, eine große NBA-Laufbahn scheint jetzt ihren Lauf zu nehmen …, bis der 7. Juni 1993 das alles zerstört. Der Tod hat Drazen auf dem Höhepunkt seiner Karriere geholt – und so aus einem großen Spieler eine noch größere Legende erschaffen.
Petrovics ehemaliges Team ist mittlerweile nach Brooklyn umgezogen und wird in der anstehenden Saison 2013/14 um den Titel kämpfen. Eine Season-Preview des Teams findet ihr in der aktuellen BASKET 11/2013, die in den Ladentheken für euch bereit liegt.
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