Wer im vergangenen Jahrzehnt an die deutsche Basketball-Nationalmannschaft gedacht hat, dem ist automatisch Dirk Nowitzki in den Sinn gekommen. Logisch, schließlich stellt der beste europäische Basketballer aller Zeiten die Seele des Teams dar. Und macht Deutschland zu einer Top-Mannschaft.

Dies ist bei der anstehenden EM in Polen etwas anders. Nowitzki macht in seiner Karriere gezwungenermaßen eine Pause im DBB-Trikot, zudem hat Bundestrainer Dirk Bauermann mit einem radikalen Umbruch eine neue Ära im deutschen Basketball eingeläutet. Routiniers wie Pacal Roller, Robert Garrett oder Ademola Okulaja werden durch hoffnungsvolle

Youngster wie Tibor Pleiß (19 Jahre), Robin Benzing (20) und Elias Harris (20) ersetzt. Mit welchem Erfolg, werden die nächsten zwei Wochen zeigen. Im BASKET-Interview spricht Dirk über seine EM-Absage, seine Zukunft, die neue Generation im Nationalteam und die Chancen bei der EM.
 
Dirk, wie kommt es, dass du nach all den Jahren ausgerechnet eine Pause im Nationalteam einlegen musst?
Das war der ausdrückliche Wunsch von Mark Cuban, dem Besitzer der Dallas Mavericks. Ich hatte ihm gesagt, wenn wir die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2008 in Peking schaffen, würde ich einen Sommer pausieren und mich voll auf die anstehende NBA-Saison konzentrieren. Darauf hat er mich nun festgenagelt.
 
Wie enttäuscht bist du, dass es dieses Mal das Veto von deinem NBA-Klub gab?
Klar war ich traurig, da ich sehr gut im Training stehe und richtig heiß war, wieder mit den Jungs für Deutschland aufzulaufen. Doch ich respektiere Marks Wunsch vollkommen. Im Gegensatz zu Fußball-Klubs sind NBA-Teams ja nicht verpflichtet, Spieler für Länderspiele freizustellen. Mark hat es mir bisher stets erlaubt bei internationalen Turnieren dabei zu sein und nun erwartet, dass ich Wort halte.
 
Hast du dir schon Gedanken über die nächsten Jahre gemacht? Du bist diesen Sommer 31 Jahre alt geworden und die Strapazen einer NBA-Saison sind ja enorm.
Das stimmt. Nach sechs, sieben Monaten mit 80 bis 100 Spielen ist dein Körper echt am Ende. Aber für mich war und ist Basketball immer eine Herzenssache. Es ist eine Ehre mein Land zu vertreten und das möchte ich, sofern keine gravierende Verletzung kommt, auch weiterhin tun. Die Nationalmannschaft bedeutet mir sehr viel.
 
Der Bundestrainer kann also auch in Zukunft fest mit dir planen?
Mir war sehr wichtig, dass die Absage dieses Jahr nicht gleichbedeutend mit einem endgültigen Rücktritt war. Mark Cuban hat mir zugesichert, dass die Sache 2010 wieder anders aussieht. Das hat es mir jetzt auch etwas leichter gemacht. Es ist also noch alles offen. Zumal ich auch gerne bei den Olympischen Spielen 2012 in London dabei wäre.
 
Was sagst du zu den „jungen Wilden“, die Dirk Bauermann für die Vorbereitung und die anschließende EM nominiert hat?
Die Jungs sind echt gut! Ich war zweimal beim Training und sie haben mich ehrlich gesagt überrascht und beeindruckt. Es macht Spaß, ihnen zuzuschauen.
 
Wer hat dich am meisten beeindruckt?
Robin Benzing. Er ist 2,06 Meter groß, beweglich, ein starker Scorer. Und Tibor Pleiß. Bei seinen 2,15 Metern sieht er ziemlich schmächtig aus, lässt sich aber trotz seiner erst 19 Jahre nichts gefallen und hält richtig gut dagegen. Aber auch Elias Harris, Per Günther und die anderen. Sie haben alle Talent und ihre Qualitäten, bringen eine Menge frischen Wind mit rein.
 
Wie schätzt du die Chancen des Teams in Polen ein?
Das ist natürlich schwer zu sagen. Die EM ist das stärkste Turnier der Welt und wird die Youngster aber definitiv weiter bringen. Es wird schon schwer genug, die Vorrunde zu überstehen. Doch die Russen sind auch nicht komplett, Andrei Kirilenko und J.R. Holden fehlen. Wenn die Jungs in der Vorrunde gegen Lettland gewinnen und dazu noch einen der beiden Top-Favoriten Russland oder Frankreich schlagen, wäre das eine riesen Sache. Schön ist, dass die Jungs ganz befreit und ohne jeglichen Druck aufspielen können. Keiner erwartet groß etwas von ihnen und sie können eigentlich nur mit guten Vorstellungen gewinnen. Tja, und wer weiß, an einem perfekten Tag traue ich ihnen durchaus eine Überraschung zu!

Interview: Timo Böckenhüser