Victor Moritz Wagner hatte beim diesjährigen NCAA Turnier seine Coming-Out Party. Obwohl es im Finale der College-Meisterschaft nicht ganz zum Titel gereicht hat, hätte es für „Moe“ kaum besser laufen können. Wer ihm dazu rät, auch noch ein viertes Jahr an der Uni zu bleiben, der hat das NBA-Geschäft nicht verstanden.

Wenn der „Buzz“ von den NBA-Verantwortlichen da ist, dann darfst du nicht länger warten. Und seit der March Madness 2018, dem „Big Dance“, dürfte wohl jedem klar sein, dass der Hype um den 20-Jährigen berechtigt ist.

Als ich Moe letzten Juni das erste Mal traf, war ich beeindruckt von seiner Basketballbesessenheit und seiner Bescheidenheit. Ein Baller, der nichts lieber macht als in der Halle zu stehen, um an seinen Schwächen zu arbeiten und an seinen Stärken zu feilen. Schon letztes Jahr hätte es mich nicht überrascht, wenn der 2,11 Meter lange Power Forward mit dem guten Händchen den Sprung in die NBA gewagt hätte. Aber er fühlte sich noch nicht bereit. Denn der gebürtige Berliner hatte in puncto Physis und Defense noch deutliche Schwächen. Zwar meldete sich Moe für die Draft 2017 an, zog seinen Namen aber schließlich rechtzeitig wieder zurück. Michigan Coach John Beilein hatte in Wagners Namen bei diversen NBA-Teams angerufen, aber das Feedback war nicht so überwältigend wie erhofft. Mehr als die zweite Runde wäre wohl kaum drin gewesen.

Sollte Moe sich dazu entscheiden, noch ein Jahr für die University of Michigan an den Start zu gehen, müsste er sich noch einmal dramatisch verbessern, um für NBA Teams weiterhin interessant zu sein. Dass es noch einmal so gut läuft für die „Wolverines“ und für Moe selbst, ist eher unwahrscheinlich. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo Wagner alles in eine Waagschale werfen muss.

Ob es diesen Sommer für die erste Runde langt, ist natürlich auch dieses Mal alles andere als sicher. Bei den meisten Mock Drafts wird Wagner zwischen Position 25 und 40 gehandelt. Also späte erste bis frühe zweite Runde. Ähnliches oder gar bis hin zum Lottery Pick dachte man letztes Jahr lange bei Isaiah Hartenstein, doch am Ende machte ihm ein medizinischer Check einen Strich durch die Rechnung. Erst an Position 43 wurde Hartenstein von den Houston Rockets genommen und nun muss der 19-Jährige den harten Weg durch die Minor Leagues beschreiten, ohne einen garantierten Vertrag in der Tasche.

Genau das sehe ich bei Moe Wagner anders. Auch wenn Wagner kein Topathlet ist, der mit seiner Explosivität glänzt, bringt er einiges von dem mit, was ein moderner „Big“ mitbringen muss. Denn Moe kann werfen. Dreier sind kein Problem für ihn. Das ist im modernen Spiel der NBA viel wert. Sein Ball Handling ist für einen Mann seiner Größe auch nicht übel.

Derzeit ist sein Spiel allerdings sehr abhängig vom Wurf. Trifft Moe nicht, hat er noch nicht die Möglichkeiten, um ein Spiel trotzdem positiv zu beeinflussen. Defensiv muss da mehr kommen. Und auch offensiv muss er einen Weg finden, seine Mitspieler besser zu machen. Gerade als „Facilitator“ gibt es noch viel Luft nach Oben.

Aber Moe ist erst 20 Jahre alt. Und als NBA Profi hast Du ganz andere Möglichkeiten, Dich zu entwickeln. Wegen seiner Leidenschaft und Arbeitseinstellung sehe ich NBA-Potential in ihm. Natürlich sind Vergleiche zu Dirk Nowitzki unangebracht. So einen Spieler wie Dirk gibt es in der NBA alle 15 Jahre mal. Doch es gibt andere Beispiele, die Moe Hoffnung machen dürften. Ryan Anderson (Houston Rockets) und Kyle Anderson (San Antonio Spurs) sind auch keine Superathleten und spielen in ihren Teams eine wichtige Rolle. Klar, Ryan kann vom Parkplatz noch einen Dreier treffen und Kyle hat das Ball Handling eines Guards. Doch ich sehe keinen Grund, warum ein hart arbeitender Moe Wagner nicht seinen Weg machen sollte. Egal ob er an 25 bis 30 von einem Titelaspiranten, an 31 bis 40 von einem Team im Umbruch oder noch etwas später gedraftet werden sollte, Moe Wagner wird kommende Saison für ein NBA Team auflaufen.

Jetzt ist er „heiß“. Sein Name ist seit dem NCAA Turnier auch dem gewöhnlichen Sportfan in den USA bekannt. Jedes NBA Team weiß, wer Moe Wagner ist. Sie hatten die Möglichkeit, ihn drei Jahre am College zu beobachten. Das ist viel wert. Moe Wagner zu draften, birgt quasi kein Risiko. Du weißt, was du bekommst. Es gäbe keine bösen Überraschungen.

Meines Erachtens bekommt er einen NBA Vertrag. Entweder einen garantierten als First Rounder oder einen Vertrag mit Ausstiegsklauseln in der zweiten Runde. Da bis zur NBA Draft am 22. Juni allerdings noch so viel passieren kann, ist es mir unmöglich, zu diesem Zeitpunkt ein Team zu nennen, bei dem Moe voraussichtlich landen wird.

Wie werden die nächsten Schritte aussehen? Moe wird öffentlich verkünden, dass er auf sein letztes Jahr Spielberechtigung an der Uni verzichtet und sich zur NBA Draft anmelden. Dann folgt eine extrem intensive Trainingsphase. Danach wird er bei den Teams vorspielen, die ernsthaftes Interesse an ihm haben. Erst ganz zum Schluss, wenige Tage vor der Draft am 22. Juni, haben die NBA Mock Drafts wirkliche Aussagekraft. Und da erwarte ich Moe weiterhin auf einer Position Mitte erster bis Mitte zweiter Runde.

Moe Wagner wird seinen Traum von der NBA bald Wirklichkeit werden lassen. Da lege ich mich fest. Der Junge ist zu gut, um es nicht zu schaffen. Viel Glück!

Der Autor:
Dean Walle ist Basketball-Journalist in den USA und schreibt direkt aus den Staaten für BASKET. Mit spitzer Feder und sportlichem Sachverstand nimmt er die Geschehnisse der besten Basketball-Liga der Welt in seiner neuen BASKET-Kolumne unter die Lupe.