In diesem Sommer haben drei Superstars ihrem Team nach vielen Jahren den Rücken gekehrt – und damit sind sie nicht die ersten. Da stellt sich die Frage: Sind Franchise-Player, die ihre gesamte Karriere bei ein und demselben Team verbringen, wirklich vom Aussterben bedroht?

Kevin Durant von den Oklahoma City Thunder klatscht die Fans beim Verlassen der Arena ab.

Kevin Durant hat sich aus Oklahoma City verabschiedet.
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Nach 13 NBA-Saisons hat Dwyane Wade die Miami Heat, seine Franchise, die ihn 2003 an fünfter Stelle pickte, verlassen. Kevin Durant hat den Oklahoma City Thunder, dem Club, der ihn 2007 – damals noch als Seattle SuperSonics – an zweiter Stelle in die Liga holte, den Rücken gekehrt. Und Derrick Rose spielt künftig nicht mehr für die Chicago Bulls, wie es seit seinem Debüt 2008 der Fall war. Und eines haben alle drei (Ex-)All-Stars gemeinsam: Sie haben das Team, bei dem sie groß wurden und zum Franchise-Player reiften, verlassen – und damit sind sie nicht die ersten Superstars. Fragt sich nur: Woran liegt das? Weshalb kehren Top-Player „ihrem“ Team den Rücken? Weswegen beenden sie ihre Karriere nicht dort, wo sie begann-? Und: Ist der Mythos vom „Franchise-Player“ eine utopische Wunschvorstellung geworden?

Die Motive
Klar, manche Spieler werden schlicht abgeschoben – wie in diesem Fall Derrick Rose. Keine Seltenheit in der schlussendlich wirtschaftlich und profitorientierten NBA. Erinnern wir uns beispielsweise an Paul Pierce: „The Truth“ war auf dem besten Weg, zu einer der größten Celtics-Legenden zu reifen. 2008 holte er mit den „Kelten“ die Championship, wurde Finals-MVP – und wurde im Sommer 2013 mehr oder weniger vor die Tür gesetzt. „Ich liebe diese Stadt, ich liebe diese Franchise, ich liebe diese Spieler, ich liebe es, ein Celtic zu sein“, hatte der 10. Pick des 1998er-Drafts nach der Meisterschaft einst gesagt. „Hier gehöre ich hin, und hier werde ich für immer bleiben.“ Seit 2013 spielte er in Brooklyn und Washington, mittlerweile bei den Clippers …

Oftmals sind es aber die Super-stars selbst, die einen Trade provozieren oder als Free Agent wechseln. Die einen wollen Erfolg: LeBron James verließ Cleveland im Sommer 2010 nach sieben Saisons Richtung Miami, um „endlich Meisterschaften zu gewinnen“; Kevin Garnett forcierte nach zwölf Jahren in Minnesota einen Trade nach Boston; Scottie Pippen schloss sich zur Saison 1999 nach elf Spielzeiten in Chicago den Houston Rockets an. Und Karl Malone- heuerte, nach 18 Jahren für die Utah Jazz, in Los Angeles an, um mit den Lakers endlich den so heiß ersehnten Titel zu gewinnen – Fairerweise muss an dieser Stelle die mangelnde Kompetenz der GMs berücksichtigt werden, die ihren Superstars einfach keine titelfähige Truppe zur Seite stellten …

Wiederum andere wollen das große Geld verdienen und bei einem Big-Market-Team spielen: Kareem Abdul-Jabbar provozierte deshalb 1975 einen Trade zu den Los Angeles Lakers, nachdem er sechs Jahre für die Bucks aufgelaufen war. „Ich wollte raus aus Milwaukee und zu einem großen Club“, bestätigte der sechsma-lige Season-MVP damals; Carmelo Anthony verabschiedete sich während der Saison 2010/11 nach sieben Jahren in Denver, um künftig für die New York Knicks im „Big Apple“ auflaufen zu können.

Ein weiterer Grund: Die Rückkehr in die Geburtsstadt beziehungsweise Heimat, wie es bei Wade, Dwight Howard sowie LeBron- (2014) der Fall war. Spe-ziell bei Howard bleibt aber ein fader Beigeschmack und die Skepsis, dass er seinen Wechsel viel eher als „Homecoming“ verkauft, als dass er es schon immer wollte …

Das Unverständnis
Fans, Journalisten und Mitspieler können meist nachvollziehen, wenn ein Spieler geht, um „in die Heimat zurückzukehren“. Auch wenn ein Big-Market-Team ruft und es „schon immer der Traum“ war, für eben dieses Team zu spielen, ist das häufig verständlich. Speziell die Medien freuen sich ja auch über solche Storys …

Die Wechsel jedoch, die mit einer Meisterschaftssehnsucht begründet werden, werden immer wieder kontrovers diskutiert: Nicht nur die Ex-Anhänger reagieren rigo-ros – verbrannten beispielsweise nach LeBrons Abgang aus Cleveland und Durants aus OKC die Trikots ihrer ehemaligen Helden –, sondern auch viele Ex-Superstars. Celtics-Legende Larry Bird zum Beispiel kommentierte im Rahmen des Durant-Wechsels jüngst: „Ich habe mich nie in der Situation gesehen, zu einem anderen Team mit großartigen Spielern zu gehen. Ich habe nicht mal darüber nachgedacht.“

Und speziell bei diesen „Titel–Wechseln“ stellt sich auch die zentrale Frage: Wenn der Hunger auf eine Championship wirklich so groß ist, weshalb schließen sich Franchise-Player dann lieber anderen Topstars an, anstatt ihr eigenes Team an die Spitze zu führen? Dirk Nowitz-ki und Tim Duncan haben das doch auch geschafft. „Wenn ich wirklich die Meisterschaft will, wird es mir auch gelingen, die entscheidenden Role-Player zu mir zu locken“, stichelt Adam Fromal vom „Bleacher Report“ und legt noch einen drauf: „Wollen Spieler nicht kommen, bin ich vielleicht gar nicht der Star, der ich zu sein glaube.“

Auffällig ist dabei, dass viele- Superstars ihre Moves später bereuen und zu „ihrer“ Franchise zurückkehren: Garnett spielt wieder bei den Timberwolves, Pippen kehrte zu den Bulls zurück, James zu den Cavs …

Die Hoffnungsträger
Sind Franchise-Player also ausgestorben und gibt es jene Superstars, die sich ein „NBA-Leben“ lang mit einem Team identifizieren, nicht mehr? Verwandelt sich die Liga immer mehr in eine Söldnergesellschaft? Nein, es gibt solche Spieler noch – jedenfalls die Hoffnung darauf.

DeMar DeRozan zum Beispiel kann der erste wahre Franchise-Player in Toronto werden, den die Fans einst in Vince Carter und Chris Bosh sahen. Anthony Davis kann selbiges in New Orleans schaffen, Damian Lillard in Portland, Russell Westbrook in Oklahoma City. Sie können in die Fußstapfen der legen-dären Franchise-Player (siehe- Kasten) treten und die Gesichter ihrer Clubs werden. Denkt man an Boston, denkt man an Bird; bei den Lakers an Kobe und Magic-; bei den Spurs an Duncan; bei den Mavericks an Dirk. „Für mich gab es nichts Größeres, als mit den Lakers die Meisterschaft zu gewinnen“, unterstreicht Magic Johnson.

Und als Nowitzki vor ein paar Jahren von Fußball-Weltmeister Mats Hummels gefragt wurde, ob er jemals darüber nachgedacht habe, die Mavs zu verlassen, antwortete Dirk: „Nach meinem vierten oder fünften Jahr, glaube ich, gab es mal eine Überlegung. Aber mir ist ziemlich schnell bewusst- geworden, dass Dallas mein Team ist und dass ich hier den Titel holen- will. Und nachdem mir das 2011 gelungen war, stand auch fest, dass ich für immer bleiben und meine Karriere hier beenden werde.“ So spricht ein Franchise-Player. Der NBA und dem Sport täte- es verdammt gut, wenn es auch in Zukunft Superstars gäbe, die so denken – und handeln!