Der Druck auf „KD“ und OKC ist gewaltig: Der 2014er MVP muss die Thunder in seinem letzten Vertragsjahr wieder zu einem tiefen Playoff-Run führen, das Motto lautet: Jetzt oder nie! Deshalb geht es für Kevin Durant und OKC nun fast schon um alles.

Kevin Durant von den Oklahoma City Thunder zieht im NBA-Spiel gegen die San Antonio Spurs an seinem Gegenspieler LaMarcus Aldridge vorbei.

Keine Zeit zu verlieren: Für Kevin Durant und seine Oklahoma City Thunder hängt viel an den diesjährigen Playoffs.
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Jeder Pokerspieler kennt die Situation: Er zockt zig Runden und schafft es nie, den Pot zu holen. Er wartet. Wartet auf dieses eine Blatt, mit dem er angreifen und groß abkassieren kann. Dann kommt es. Er hat die Karten, die ihm einen richtigen Angriff erlauben. Er weiß: Jetzt oder nie – und geht „All In“. Er setzt alles, riskiert alles. Was das mit der NBA zu tun hat? Die Oklahoma City Thunder um Kevin Durant sind exakt in so einer -Situation. „KD“ wird im Sommer Free Agent, kann gehen oder sich für viele Jahre – und damit die Prime seiner Karriere – an die Franchise binden. Deshalb sind die diesjährigen Playoffs nicht nur so verdammt wichtig für den 27-Jährigen, sondern für die ganze Organisation. Und die Ausgangssituation für OKCs „All In“ könnte deutlich schlechter aussehen.

Gute Unterstützung
Der Supporting-Cast ist der beste seit der Finals-Teilnahme 2012 (1:4 gegen Miami). Russell Westbrook ist in der Form seines Lebens, spielt effizienter und effektiver denn je (PER: 28,8, NBA-Rang 2), überzeugt als Scorer (24,1 PPS), Passgeber (10,0 AS, Career-High und NBA-Rang 2), Rebounder (7,6 REB, Career-High) und defensiver Motor (2,3 ST, Career-High und NBA-Rang 1), sammelte in der Regular Season sensationelle 18 Triple-Doubles (NBA-Rang 1) und 54 Double-Doubles – die zweitmeisten der Liga hinter Andre Drummond (66). „Russ ist phänomenal. Er hat sich unglaublich weiterentwickelt“, schwärmt Durant. Aufgrund der Gala-Vorstellung liegt der Fokus sogar häufiger mehr auf Westbrook als auf Durant.

Der beste „Russ“ aller Zeiten ist aber nicht der einzige Grund: Enes Kanter liefert gut von der Bank – 11,9 Punkte und 7,7 Rebounds in nur 20,8 Minuten – und bildet ein harmonisches Center-Duo mit Steven Adams. Serge Ibaka (12,7 PPS, 6,7 REB, 2,2 BL) ist endlich fit und spielt einen soliden Stiefel, wenngleich nicht mehr so stark wie in seinen besten Saisons zwischen 2012 und 2015. Auf der Zwei haben die Macher noch mal zugeschlagen und Randy Foye (Karriere-schnitt: 40,4 % 3er) aus Denver geholt, der mehr Firepower bringt. Und Dion Waiters und Co. haben zwar noch Luft nach oben, können aber jederzeit einen Gang hochschalten, wenn sie von den Superstars richtig eingesetzt werden. Und das ist der springende Punkt!

Donovans Aufgabe
Denn woran Scott Brooks in den letzten Jahren scheiterte, daran wird nun Billy Donovan gemessen: Der Rookie-Trainer muss einen Weg finden, dass das Team um die beiden All Stars harmoniert. Entscheidend ist die Spielzeitverteilung, denn wie bei den Bulls der 90er gilt es, Durant und Westbrook so einzusetzen, dass immer einer spielt. „In den Playoffs kann es sich OKC nicht leisten, sie gleichzeitig auf die Bank zu setzen. Das ist Donovans größte Aufgabe“, bestätigt NBA-Experte Jeff Van Gundy.

Das Duo kann zwar jedes Team im Alleingang schlagen, allerdings nur in einem Spiel. In einer Best-of-Seven-Serie braucht es die Kollegen und deren Unterstützung. „Das ist etwas, an dem wir intensiv arbeiten“, gibt sich Donovan selbstkritisch. Fakt ist: Er muss diese Situation entschlüsseln, denn nicht nur die Top-Favoriten Golden State und San Antonio sind OKC in dieser Hinsicht einen Schritt voraus. Durant ist aber optimistisch: „Wir werden einen Weg finden, unsere Schwächen zum Saisonende zu beheben!“ Die Zielgerade der Regular Season wird OKC also vor allem dafür nutzen, einen effektiveren Wechsel-Rhythmus zu finden.

Endlich fit
Dann wird angegriffen, denn wie gesagt: Es geht um alles! Versagen die Thunder, wird der siebenfache All Star Durant sich noch gründlicher überlegen, ob er OKC treu bleibt. Sollte er gehen, wird vielleicht auch Westbrook, dessen Vertrag 2017 ausläuft, abwandern. Ja, es hängt verdammt viel an diesen Playoffs. Der Titel wäre optimal, ist aber nicht zwingend erforderlich. Vielmehr ist entscheidend, dass Durant und Westbrook sehen, dass es ein gutes Gerüst für die Zukunft gibt. Scheiden sie dann unglücklich 3:4 in den Conference Finals aus, werden sie wohl auch bleiben. KD hat in den letzten Monaten immer wieder betont, dass er Russell und das Zusammenspiel mit ihm liebt. Natürlich träumt er von der Championship mit seinen Thunder, seinem Westbrook. Und dass Durant immer noch „The Man“ in OKC ist, zeigt nicht zuletzt die laufende Saison: Scort der MVP von 2014 mindestens 30 Zähler, gewinnen die Thunder 80 Prozent -ihrer Partien! Das unterstreicht, was auf dem Spiel steht.

Zusätzlichen Druck liefert zudem der Umstand, dass die Thunder wohl zum ersten Mal seit 2012 in Bestbesetzung angreifen können! 2013 war ohne den verletzten Westbrook in der zweiten Runde Endstation, 2014 verlor OKC ohne den verletzten Ibaka im Conference-Finale die ersten beiden Partien und konnte diesen Rückstand nicht mehr wettmachen; 2015 fiel KD aus, der Club verpasste daraufhin die Playoffs. Jetzt gibt’s solche Ausreden nicht: Alle sind fit, Durant und Westbrook top drauf. Eigentlich ein Grund zur Freude, wäre da nicht dieses Risiko, alles verlieren zu können. Es ist eben wie beim Poker: Wer „All In“ geht, kann groß abräumen – oder alles verlieren. So wie jetzt KD und OKC.