Bauermann

Dirk Bauermann war über acht Jahre Bundestrainer. Foto: Getty Images

BASKET-Experte Dirk Bauermann spricht im Interview über die EM-Favoriten, Dirk Nowitzki und Dennis Schröder sowie das deutsche Team für die EuroBasket 2015

Dirk Bauermann ist einer der angesehensten Trainer Europas. Er hat unzählige Erfolge auf Vereinsebene gefeiert (u.a. neun Deutsche Meisterschaften), war über acht Jahre (1994 und 2003–11) deutscher Bundestrainer und hat die DBB-Truppe 2005 zu EM-Silber geführt. Momentan ist er Nationalcoach im Iran. Für die EuroBasket 2015 haben wir mit ihm ein langes Interview geführt und ausführlich über das spannende Turnier gesprochen.

BASKET: Herr Bauermann, als amtierender Europameister, dessen Team zudem mit zahlreichen NBA-Stars gespickt ist, sind die Franzosen für viele der absolute Top-Favorit. Wie sehen Sie das?
Genauso! (lacht) Frankreich ist auch für mich der absolute Favorit auf Gold. Gerade weil sie zu Hause spielen und weil Tony Parker nach seiner Auszeit 2014 jetzt zurück im Team ist. Dazu kommen Nicolas Batum und junge Spieler wie Evan Fournier und Rudy Gobert, der sich unglaublich entwickelt hat. Für mich liegen die Franzosen deshalb eindeutig vor den Spaniern …

… die zuletzt die dominierende Mannschaft Europas gestellt haben. Nach der enttäuschenden Heim-WM, bei schon Viertelfinale gegen Frankreich Schicht war, müssen sie jetzt auf einige Top-Spieler wie Marc Gasol verzichten. Ändert das etwas an ihrem traditionellen Favoritenstatus?

Nein, obwohl die Mannschaft auf einige absolute Leistungsträger verzichten muss, gehört sie dennoch für mich zu den großen Favorit, denn trotz der Ausfälle haben sie noch eine enorme Qualität und Erfahrung im Kader.

Okay, damit wären wir schon bei zwei Top-Favoriten auf eine Medaille. Gibt es bei der Fülle an starken Nationen noch eine, die sie in einem Atemzug mit Spanien und Frankreich nennen würden?
Ja, direkt hinter Frankreich kommen für mich zusammen mit Spanien die Serben, die mit WM-Silber 2014 gezeigt haben, was für eine starke Mannschaft sie sind. Ich habe sie dort mehrfach gesehen, sie sind unglaublich kompakt. Und die WM hat ihnen sicher zusätzliches Selbstvertrauen gegeben. Sie haben keinen wirklichen Superstar und genau das ist ihre Stärke. Sie haben zwölf Spieler im Kader, die alle auf einem sehr, sehr hohen Niveau agieren, alle Europa-Liga-Erfahrung haben und kampferprobt sind. Auch wenn vielleicht nicht so viele NBA-Spieler dabei sind wie zum Beispiel bei den Franzosen, haben die Serben nicht nur eine talentierte Mannschaft, sondern auch eine gut funktionierende Einheit. Deshalb sehe ich sie, gemeinsam mit den Spaniern, als Favoriten auf den ersten Platz in der deutschen Gruppe B.

Was halten Sie von der Truppe, die die Türkei ins Rennen schicken wird? Im Vorfeld hört man ja sehr forsche Töne…
Sie haben zum ersten Mal einige Spieler aus der sehr erfolgreichen U20-Generation für den A-Kader nominiert. Vielleicht hilft ihnen die Geschlossenheit und Energie, die Einstellung die sie trotz großen Talentes bei dem ein oder anderen großen Turnier haben vermissen lassen. Wenn es ihnen gelingt all das dieses Mal aufs Feld zu bringen, dann sind auch die forschen Töne berechtigt. Aber sie müssen erst beweisen, dass sie aus den vergangenen Turnieren gelernt haben, bei denen sie eher enttäuscht haben. Sie wussten nicht mit Misserfolgen umzugehen, haben schnell die Köpfe hängen lassen. Aktuell glaube ich jedoch eher, dass sie in der Gruppe Fünfter werden.

Die Olympiaquali ist auch das ausgegebene Ziel der Italiener. Für wie realistisch halten sie diese Vorgabe?

Die Italiener hatten zuletzt eigentlich immer eine talentierte Mannschaft, doch haben sie dabei ein wenig die NBA mit Europa verwechselt. Sie waren defensiv nie stark genug, haben zudem im Angriff das One-on-One übertrieben, zu wenig als Mannschaft gearbeitet und viele schwierige Würfe genommen. Mittlerweile sind sie aber alle im besten Basketball-Alter. Vielleicht haben sie inzwischen, nach all den Misserfolgen, die nötige Reife. Wenn die Italiener nun als Einheit auftreten, dann wird es eine bärenstarke und unglaublich schwierig zu schlagende Truppe sein.

Bauermann & Dirk

Bei der EM 2007 wurde Deutschland unter Bauermann Fünfter. Foto: Getty Images

Sie sehen also die deutsche Mannschaft am Ende in Gruppe B vor den Türken und den Italienern auf Rang 3 in Gruppe B?

Ja. Ich traue uns das absolut zu. Ich glaube, dass die Tatsache, dass Dirk wieder dabei ist, eine unglaubliche Auswirkung auf die Mannschaft hat, was Energie, Entschlossenheit und Motivation angeht. Dazu hat sich Dennis im letzten Jahr hervorragend entwickelt. Sicher tun uns die Absagen von Maxi Kleber, Tim Ohlbrecht und Per Günther sehr weh, keine Frage. Auch, dass Elias Harris und Daniel Theis nicht dabei sind, ist natürlich nicht hilfreich. Aber man muss immer über die reden, die zur Verfügung stehen. Und die sind immer noch stark genug, die nächste Runde zu erreichen! Ich traue ihnen zu Hause absolut den dritten Platz zu. Dazu ist Chris Fleming einfach ein hervorragender Mann für den Job und ich glaube, dass er das gemeinsam mit den Jungs schon richten wird!

Und da ist da ja noch die große Unbekannte Island, gegen die es zum Auftakt geht. Wie viel wissen Sie über die Mannschaft?

Nun, ich habe sie noch nie spielen sehen. Es gibt zwei Namen, die für uns herausstechen: Jón Arnór Stefánsson, der in Trier und eine Saison sogar in Dallas, zuletzt in Spanien gespielt hat und dann natürlich Hördur Axel Vilhjálmsson vom MBC. Stefánsson ist ein richtig Guter. Ich habe ihn in Spanien gesehen, er weiß wie das Spiel läuft. Der Rest des Kaders ist aber ein unbeschriebenes Blatt, weshalb es eine große Überraschung wäre, wenn sie auch nur in einem der Spiele im vierten Viertel noch im Spiel wären!

Schauen wir mal auf das gesamte Turnier. Frankreich, Spanien und Serbien sind die großen Favoriten auf die Medaillen. Gibt es noch ein anderes Team, das man auf der Rechnung haben muss?

Ich traue auf jeden Fall den Litauern zu, dass sie einen Medaillenrang und die direkte Olympiaqualifikation schaffen. Sie haben eine starke WM gespielt, dazu eine eingespielte Mannschaft. Kontinuität ist sehr wichtig. In diesem Bereich haben die Litauer also einen Vorteil. Wegen ihrer Offensivstärke sind sie sowieso schwierig zu schlagen und defensiv haben sie in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Die Finnen könnten wieder eine der „Cinderella-Storys“ sein. Dann wie gesagt die Italiener, wenn sie ihr Potenzial ausschöpfen. Und natürlich auch unser Team! All diese Mannschaften könnten eventuell die direkte Olympia-Quali schaffen.

Im Spiel der Deutschen wird natürlich das Zusammenspiel zwischen Schröder und Nowitzki eine elementare Rolle spielen. Wie können die beiden voneinander profitieren?

Für Dennis wird es sicher ein wenig schwieriger als in der NBA. Aufgrund der Verteidigung, die sich von der in der NBA unterscheidet und auch wegen des kleineren Feldes. Die Gegner werden gegen ihn viel unter Blocks hergehen und alles dafür tun, Dennis aus der Zone zu halten. Das ist in Europa einfacher als in den Staaten. Deshalb wird es für ihn wohl nicht so leicht. Aber er ist ein cleverer Spieler und er wird davon profitieren, dass die Gegner Dirk eng verteidigen werden, in Pick-and-Roll-Situationen nicht von ihm weg helfen. Das schafft Räume für Dennis. Am Ende kann es aber nur eine gut funktionierende Mannschaft schaffen! Deshalb sage ich noch einmal: Die anderen sind gut genug!

Übrigens: In unserer aktuellen Ausgabe BASKET 9-10/2015 haben wir eine große EM-Preview. Neben Interviews mit Dirk Nowitzki und Bundestrainer Chris Fleming checken wir dabei mit Dirk Bauermann alle Gegner des DBB-Teams und die Favoriten. Zudem gibt’s ein Poster der deutschen Mannschaft. Alle Themen der Ausgabe findet ihr hier: http://bit.ly/1EeVrJF

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