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David Blatt (Foto: Getty Images)

„Es gibt eine Sache, die niemals passieren darf! Niemals! Und das ist, dass sie härter kämpfen als wir. Das ist es doch, was uns auszeichnet, Jungs! Jetzt ist nicht die Zeit, frustriert zu sein, nicht die Zeit, unsere Köpfe hängen zu lassen, nicht die Zeit, aufzugeben. Es ist an der Zeit, dass wir das Spiel übernehmen. Es ist noch eine ganze Menge dieses Spiels zu spielen. Diese Saison hat nur noch vier Spiele oder sogar weniger. Also gebt ihr jetzt alles! Bis ihr fertig seid!“

Cleveland-Cavaliers-Coach David Blatt läuft in der Kabine seiner Mannschaft geladen vor seinen Spielern auf und ab. Es ist Halbzeit in Game 4 der NBA-Finals 2015. Spielstand 42:54 aus Sicht der Cavs. In gewisser Weise eine Überraschung, hatten sie sich doch nach zuletzt zwei äußerst beeindruckenden Auftritten beinahe einen Favoritenstatus erspielt. Doch in dieser NBA-Finals-Partie läuft bis hierhin alles anders als erwartet, denn der Gegner aus Oakland ist nicht derselbe wie in den letzten beiden Partien.

Die kleinen Warriors

Das ist schon zu Beginn der Begegnung klar. Warriors-Coach Steve Kerr musste in Folge der Niederlagen etwas ändern. Und das hat er getan. Beim Tip-off stehen wie erwartet MVP Stephen Curry, dessen Splash-Brother Klay Thompson, Harrison Barnes und Draymond Green auf dem Spielfeld. Doch zum Sprungball stellt sich statt des australischen Big Man Andrew Bogut besagter Green in den Mittelkreis, dazu ist wider erwarten Veteran Andre Iguodala auf dem Feld – kein Center also! Kerrs Mannschaft, die zuletzt schon aufgrund mangelnder Größe von den Cavaliers in der Zone herumgeschubst worden war, will also zum ersten Mal in diesen NBA-Finals Small-Ball von Beginn an spielen, nimmt eine Unterlegenheit unter den Boards hin. Ein Risiko, das sich kurz nach dem Anpfiff noch nicht auszahlt. Drei schnelle Körbe, ein Tip-In von Tristan Thompson, ein Dunk von Timofey Mozgov, dann ein Dreier von Iman Shumpert, und damit eine 7:0-Führung für Cleveland nach nicht einmal drei Minuten, lassen Zweifel an der Taktik des Rookie-Trainers aufkommen, die dem Frontcourt des Finalgegners nicht standzuhalten scheint.

Doch auch die kleinen Warriors haben einen Vorteil: Ihre Geschwindigkeit. Ohne den langsameren Bogut finden die Jungs aus Golden State zu dem Spiel, das sie vor den NBA-Finals bereits ausgezeichnet hatte: Schnelle Fastbreaks, wenn die Defense des Gegenübers noch nicht sortiert ist, dazu gutes Passspiel und fünf Spieler, die allesamt die Kunst des Drei-Punkte-Wurfes beherrschen. Das überfordert die sonst so starke Defensive des Ost-Champions aus Ohio. Dessen bester Spieler, LeBron James findet nicht ins Spiel, weil er früh gedoppelt wird und damit seine Mitspieler den Ball bringen müssen. Abgesehen von Thompson und Mozgov, die das Beste aus ihren Möglichkeiten machen, bringt aber keiner der Kavaliere die von ihnen gewohnte Leistung. Matthew Dellavedova wirkt müde, Shumpert trifft wesentlich schlechter als sonst und selbst wenn der „King“ mal eine Lücke findet, hat er Probleme, seine Würfe zu verwandeln. Zu allem Überfluss verletzt sich „LBJ“, als er hart gefoult wird, am Kopf, weil er mit selbigem in eine Kamera am Spielfeldrand kracht. Er bleibt auf dem Platz, doch ist der Zwischenfall seiner Leistung keinesfalls zuträglich.

Jeder bringt Leistung

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Andre Iguodala (Foto: Getty Images)

Deshalb ist es kein Wunder, dass David Blatt zur Halbzeit so deutliche Worte an seine Schützlinge richtet. Von dem Team- und Kampfgeist der bisherigen Spiele ist einfach zu wenig zu spüren. Die Halbzeitansprache soll ein Weckruf sein. Sie soll die Truppe aufrütteln und ihr zugleich das Selbstvertrauen wiedergeben.

Und der Plan scheint aufzugehen: Gerade Dellavedova scheint die Forderungen seines Trainers ernst zu nehmen und schenkt Golden State zu Beginn des dritten Viertels zwei Dreier in Folge ein. Sein Team folgt dem Vorbild des Einsers und kämpft sich 34 Sekunden vor Ende des Viertels auf drei Punkte hera – gehen die Cavs doch mit 3:1 in den NBA-Finalsin Führung?

Doch an diesem Tag haben die Warriors zwei Männer, die mit ihren Aktionen immer wieder Nadelstiche setzen, um das Spiel vor dem Kippen zu bewahren. Schon in der ersten Hälfte hatte Ex-All-Star Andre Iguodala mit Fastbreak-Dunks und dem ein oder anderen Dreier seinen Platz in der Startformation mehr als gerechtfertigt, zudem war auch Stephen Curry immer da, wenn er gebraucht wurde. So nimmt der MVP zum Ende des Spielabschnittes selbst die Zügel in die Hand und verhindert mit einem seiner mühelos erscheinenden Distanzwürfe, dass die Cavaliers allzu zuversichtlich in die letzten zwölf Minuten gehen. Für Coach Blatt offenbar kein Grund zur Sorge, er gönnt LeBron eine kurze Verschnaufpause. Als James nur 103 Sekunden später wieder aufs Parkett geht, liegt sein Team zweistellig zurück, verliert am Ende deutlich mit 82:103. Mit ihrem Teamplay sind die Gegner aus der Bay Area einfach überlegen, gleichen die NBA-Finals wieder aus!

Scheinbar jeder bringt seine Leistung. Der wertvollste Spieler der vergangenen Saison, „Chef“ Curry, trifft gute Entscheidungen und hilft seinem Team mit 22 Zählern und sechs Vorlagen. Der zuletzt schwächelnde Green hat ein Spiel, wie man es von ihm aus der Saison kennt. Er spielt mit vollem Einsatz und legt 17 Punkte, sieben Rebounds sowie sechs Assists auf. David Lee, der erst zuletzt von Steve Kerr wieder in die Rotation aufgenommen worden war, bringt in nur 15 Minuten eine völlig solide Leistung (9 Pkt., 5 Reb., 3 Ast.) und auch Shaun Livingston performt besser als in den bisherigen Finalspielen (7 Pkt., 8 Reb., 4 Ast.). Der Mann, der jedoch hauptverantwortlich für den Sieg ist, ist „Iggy“. Zum ersten Mal in der gesamten Spielzeit startet er, legt scheinbar selbstverständlich eine Saisonbestleistung von 22 Punkten auf und hält dabei defensiv dem zuletzt unbezwingbaren LeBron James stand, der in dieser vierten Begegnung „vollkommen menschliche“ (Kommentator Mike Breen) Zahlen verbucht (20 Pkt., 12 Reb., 8 Ast). „Er ist immer einer der X-Factors bei den Warriors. Und heute hat er einfach seine Würfe getroffen“, sagt der vierfache MVP auf der Pressekonferenz zu der Leistung seines Kontrahenten und auch Curry und Coach Kerr zollen Igoudala nach dem Abpfiff Respekt: „Er war in den Finals bisher der konstanteste meiner Spieler“, so der Trainer über seinen Veteran.

Small-Ball wins!

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Steve Kerr (Foto: Getty Images)

Doch ist auch der Rookie-Head-Coach selbst zu der Leistung seines Teams zu beglückwünschen. Sein Small-Ball hat sich mehr als ausgezahlt und dabei selbst die starken Big Men der Cavs in den Schatten gestellt. Cleveland-Center Mozgov hatte anders als seine Teamkollegen eine überragende Leistung gezeigt (28 Pkt., 10 Reb.), bevor er sich enttäuscht den Presseleuten stellen musste und zugab, mit der Aufstellung Probleme gehabt zu haben: „Ich bin es gewohnt, nur die Zone zu verteidigen. Da das heute ging, hatte ich zuweilen Probleme, die kleinen Gegenspieler zu kontrollieren. Jetzt müssen wir das Spiel auswerten und gucken, wie wir im fünften Aufeinandertreffen reagieren“. Mit einem Spielstand von 2:2 ist für die nächste Partie zwar alles offen, Golden State jedoch hat sich seinen Heimvorteil in den NBA-Finals zurückgeholt und hofft, an den „kleinen Erfolg“ aus Game 4 anzuknüpfen.

https://www.youtube.com/watch?v=7D-QVZ1RdrU