BASKET-Kommentar: Es ist vollbracht! Nachdem sich die gesamte Basketballwelt in den vergangenen beiden Jahren fragte, wer die Miami Heat schlagen kann, ist die Antwort nun in den Briefkasten der Fragensteller geflogen. Es sind die Brooklyn Nets. Ja, eben diese Nets, die zu Saisonbeginn so unfassbar schwach spielten und auf ganzer Linie enttäuschten. 14 Niederlagen aus den ersten 19 Partien waren erschreckend, nicht nur für die selbsternannten Titelanwärter. Doch während an allen möglichen Ecken und Enden Zweifel entstanden – Jason Kidd sei der falsche Coach, Pierce und Garnett zu alt, Williams über den Zenit, ohne den verletzten Lopez könne Brooklyn ohnehin nichts reißen – und die Truppe schon so gut wie abgeschrieben wurde, spielten die Jungs ihren größten und mächtigsten Trumpf aus. Sie besonnen sich auf ihre Stärken: Routine, Erfahrung und Teamplay!

Stark, ohne Starspieler – Erinnerungen werden wach!

Denn dieser eine Superstar, den fast jedes Team in seinen Reihen hat, vermisst man in Brooklyn nicht nur, sondern den wollen die Nets gar nicht erst haben. Jeder hat seine Rolle, die zu einem starken Kollektiv beiträgt: Paul Pierce ist der Leitwolf, Joe Johnson der Scorer, Deron Williams der Lenker, Kevin Garnett der mentale Leader, Andray Blatche der Feuerwehrmann, Marcus Thornton der Bench-Scorer, Shaun Livingston der Alleskönner, Mirza Teletovic der Mann für gewisse Minuten, Andrei Kirilenko der Defender, Mason Plumlee der talentierte Big Man. Kurz: Das Kollektiv ist deshalb so stark, weil sich jeder unterordnet – ähnlich sieht das in Chicago aus und genau auf diesem Weg wurden die Detroit Pistons 2004 Meister.

In der aktuellen BASKET 4/2014 gibt es ein Exklusiv-Interview mit Joe Johnson

In der aktuellen BASKET 4/2014 gibt es unter anderem ein Exklusiv-Interview mit Joe Johnson.

Okay, vom Titel sind die Nets noch entfernt, keine Frage. Aber sie beweisen, dass mit ihnen zu rechnen ist und haben sich durch ihre neue Spielweise zum Angstgegner des Titelverteidigers entwickelt: Alle vier Duelle gegen die Miami Heat gewannen die Nets in der laufenden Spielzeit. Das erste Aufeinandertreffen im November (101:100), das zweite im Januar (104:95), das dritte im März (96:95) und das jüngste in der letzten Nacht (88:87). Beeindruckend, wie auch Heat-Coach Erik Spoelstra findet: „Seit dem All-Star-Break spielt Brooklyn wirklich stark und ist heiß gelaufen. Sie sind ein starkes Team!“ Klingt nach Respekt, und den sollte jeder Kontrahent der Nets auch haben.

Was bringen die Playoffs?

Brooklyn hat sich zu einer schlagfertigen Truppe entwickelt und ist dabei, seinem vor der Saison entwickelten Ruf gerecht zu werden. Aktuell stehen Pierce und Co. auf dem fünften Tabellenplatz (43 Siege, 34 Niederlagen), Chicago (Platz 4, 45:32) und Toronto (Platz 3, 45:32) sind noch in Reichweite, aber Washington (Platz 6, 40:37) und Charlotte (Platz 7, 39:38) lauern auf Ausrutscher. Das Restprogramm der Nets ist vielversprechend: Brooklyn fliegt nach Orlando, erwartet danach Atlanta, Orlando und New York, bevor es abschließend nach Cleveland geht. Vom Papier her sind das drei beziehungsweise vier sichere Erfolge. Das Heimrecht in der ersten Playoffrunde ist also noch möglich.

Season-Sweep: Shaun Livingston und Brooklyn gewannen alle vier Duelle gegen Miami.

Season-Sweep: Shaun Livingston und Brooklyn gewannen alle vier Duelle gegen Miami.

Spannend wird es dort auf jeden Fall: Brooklyn kann jeden schlagen, erstrecht die Heat. Würden die Playoffs jetzt beginnen, könnten die Nets in der zweiten Runde auf Miami treffen. Und das wollen – spätestens seit der letzten Nacht – verdammt viele Basketballfans! Wäre auch einfach nur ein cooles Matchup: Der Titelverteidiger gegen seinen diesjährigen Angstgegner.

Henning Kuhl