BASKET-Kommentar: „Gut Ding will Weile haben.“ Ja, dieses Sprichwort ist alt. Und ja, einige unter euch halten es für abgenutzt und ausgelutscht. Aber kaum ein Satz im Deutschen trifft die aktuelle Lage der Brooklyn Nets besser!

Die vor der Saison so hochgejubelte und zum Favoritenkreis zählende Franchise enttäuschte zunächst gewaltig: Nur fünf Siege aus den ersten 19 Spielen sprachen eine eindeutige Sprache – für jeden Franchise-Fan war das wohl wie der oft zitierte „Gang nach Canossa“. Brooklyn taumelte im Tabellenkeller der Eastern Conference. Ja, in genau dem Osten, der dieses Jahr so desaströse Mannschaften hat, dass man nicht genau weiß, ob man weinen oder lachen soll. Genau der Osten, der die Lach- und Schießgesellschaft der Liga bildet. Schnell wuchs die Kritik an den Nets: Die Stars Paul Pierce und Kevin Garnett seien zu alt und zu verletzungsanfällig, Rookie-Coach Jason Kidd zu unerfahren, das Team kein Contender und die Bank ohnehin überbewertet.

Steigerung bringt Triumphe

Nun aber sieht das Bild anders aus, denn seit Januar geht es bergauf in Brooklyn: 27 Erfolge aus 37 Partien. Aus dem Tabellenkeller ging es hoch, aktuell steht der Club auf dem fünften Rang (37-31) und hat Kontakt zu den weiter oben platzierten Bulls (39-31) sowie Raptors (39-30).

Zwei Gründe für den Aufstieg der Nets: Shaun Livingston und Paul Pierce kommen immer besser in Fahrt.

Zwei Gründe für den Aufstieg der Nets: Shaun Livingston und Paul Pierce kommen immer besser in Fahrt.

Der springende Punkt dabei: Brooklyn kann jeden schlagen! Ganz gleich ob Miami (96:95), Memphis (103:94), Chicago (96:80), San Antonio (103:89) oder Oklahoma City (95:93) als Konkurrent aufläuft, die Nets haben sich zu einem brandgefährlichen Gegner entwickelt. 37,1 Prozent ihrer Dreier finden das Ziel (NBA-Rang 9) und aus dem Feld sind es 45,5 % (Rang 12) – in den ersten Wochen rangierte das Team in beiden Bereichen noch außerhalb der Top15 beziehungsweise Top20. Doch nicht nur offensiv haben sich die Nets gesteigert, sondern vor allem auch defensiv: Mit 98,9 gegnerischen Punkten pro Partie stellt die Truppe um Headcoach Jason Kidd die achtbeste Defense der Liga und verzeichnet 8,6 Steals im Durchschnitt (Rang 4). Ich brauche an diesem Punkt nicht zu erwähnen, dass diese Werte zu Saisonbeginn ebenfalls deutlich anders aussahen!

Brooklyn rises“

Das Rezept für den Erfolg ist ebenso banal wie deutlich: Brooklyn ruft endlich sein Potenzial ab. Paul Pierce führt das Team wie zu Boston-Zeiten, Deron Williams und Joe Johnson machen ihren Job, Rookie Mason Plumlee arbeitet in der Zone, die Bankspieler leisten solide Arbeit, jeder springt für den anderen ein und alle unterstützen sich gegenseitig. Ein Beweis für diese Geschlossenheit: Fünf Spieler scoren im Durchschnitt zweistellig, sechs weitere mindestens fünf Zähler. Klingt doch nach der von so vielen Experten oft vermissten Identität. Jason Kidd scheint demzufolge also doch eine Handschrift zu haben, die der Club nun präsentiert.

Die Kommunikation zwischen Headcoach Jason Kidd und seinen Jungs um Deron Williams wird immer besser.

Die Kommunikation zwischen Headcoach Jason Kidd und seinen Jungs um Deron Williams läuft immer besser.

Entscheidend ist dabei: Brooklyn kann sich, wenn sie sich noch weiter steigern, tatsächlich noch zum Contender entwickeln. Die nötige Erfahrung bringen Akteure wie Pierce, Johnson und Garnett – der wohl bald wieder dabei sein dürfte – nämlich mit und für ausreichend Energie sorgen Livingston, Blatche, Thornton und Co.

Favoriten-Schreck

Und so sieht sich die Eastern Conference einem neuen Problem gegenüber: Die Brooklyn Nets haben das Basketballspielen entdeckt, weshalb keiner in den Playoffs gegen die Franchise spielen möchte. Zumal sie dank ihrer Siege in der ersten Runde Heimrecht – 23 Siege aus 34 Spielen gewann das Team im heimischen Barclays Center – haben könnten.

Die Nets sind zurück auf dem NBA-Radar und können in den Playoffs eine entscheidende Rolle spielen. Wer das nicht glaubt, der sollte sich mal die Bilanz gegen Miami ansehen: Drei Spiele, drei Siege (96:95, 104:95, 101:100). Wenn das mal kein Fingerzeig ist.

Die Playoffs werden spannend, auch dank Brooklyn, die hoffentlich ihr Potenzial abrufen werden. Denn gut Ding will nunmal Weile haben.

Regelmäßig spannende Themen, Kommentare und Analysen gibt es in der aktuellen Ausgabe BASKET.

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