Rookie-Watch 7-8/2013 – Pablo Prigioni

Für die Geschichtsbücher

Seit ihrer Gründung 1946 hat die NBA nur zwei ältere Rookies als Pablo Prigioni gesehen. Der Argentinier feierte mit 35 Jahren sein Debüt und verhalf den Knicks auf Anhieb zum Sprung in die zweite Playoff-Runde.

Die Karriere eines NBA-Profis verläuft zwar immer unterschiedlich, doch letzten Endes sieht sie meist gleich aus: Als junger Spieler kommt man in die Liga, zockt einige Jahre, in denen man sich steigert, besser wird und Erfolge feiert, ehe man seine Karriere ausklingen lässt. Bei Pablo Prigioni ist das anders! Er debütierte erst im zarten Alter von 35 Lenzen für die New York Knicks und ging damit als drittältester NBA-Rookie aller Zeiten in die Geschichte ein.

„Er muss in die NBA!“

Mit 35, also in einem Alter, in dem die meisten Pros sich mit der Rente beschäftigen, wagte Pablo tatsächlich noch den Schritt – nach 16 Profi-Jahren, von denen der 1,91-Meter-Regisseur 13 in Spanien verbracht hatte. Dafür war aber auch eine Menge Überzeugungsarbeit seiner Kollegen nötig. Allen voran redeten die beiden NBA-Profis Luis Scola und Manu Ginobili dem Rechtshänder regelmäßig ins Gewissen. „Wenn er auf seine Karriere zurückblickt, darf ein NBA-Engagement nicht fehlen. Er hat alles in Europa erreicht. Daher war die NBA der nächste Schritt“, sagt Scola. Doch nicht nur der Vierer der Suns hat mehrere Jahre lang auf Pablo eingeredet, sondern auch die Verantwortlichen der Knicks: „In den letzten fünf Jahren haben Glen Grunwald und ich regelmäßig über einen Wechsel in die NBA gesprochen“, sagt Prigionis Agent George Bass.

Im Sommer 2012 wird das stete -Betteln des Knicks-GMs dann erhört, Prigioni kommt in den Big Apple.

Perfekter Rollenspieler

Für die Knickerbockers ist Pablo genau der richtige Spieler: Sicher am Ball, abgezockt und routiniert, stark im Pick-and-Roll, ein hochprozentiger Schütze aus der Distanz und dem Feld, mit schnellen Händen. Seine größte Stärke sieht Headcoach Mike Woodson aber in seiner Übersicht: „Er ist ein klassischer Playmaker. Wenn du offen bist, findet er dich!“ Und genau diese Eigenschaften machen den Argentinier für New York so wertvoll, denn mit Carmelo Anthony, Amare Stoudemire, J.R. Smith und Raymond Felton haben die Knicks mehrere Spieler in ihren Reihen, die vor allem eines wollen – scoren. Da braucht Coach Woodson einfach Akteure wie Jason Kidd und Prigioni, die den Ball verteilen und als Pass-First-Player agieren. Die nicht im Mittelpunkt stehen müssen und sich mit einem kleineren Stück des Kuchens zufriedengeben.

„Wir werden sehen, wie es läuft. Für mich ist es wichtig, dass die Jungs mit mir spielen wollen“, sagte Prigioni während des Saisonverlaufes immer wieder. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen: Prigionis Zahlen (3,5 PPS, 3,0 AS, 1,8 REB, 0,9 ST) sind zwar keine Top-Werte, doch in durchschnittlich 16,2 Minuten trifft der Point Guard 45,5 Prozent aus dem Feld und 39,6 von jenseits der Dreierlinie. Damit verhilft er „Melo“ und Co. zur zweitbesten Bilanz im Osten (54:28 Siege) und entpuppt sich als perfekter Rollenspieler für die Knicks und Backup für Ray Felton. Auch dank seiner Routine schafft New York erstmals seit 2000 wieder den Sprung in die zweite Playoff-Runde. Dort ist jedoch für den Oldie-Rookie, der in der Postseason 4,5 Punkte, 3,2 Assists, 1,3 Steals und eine Dreierquote von 43,3 Prozent abliefert, und die Knicks Schluss gegen Indiana (2:4).

Einer wie keiner

Ein Grund für seine guten Werte und seine wichtige Rolle im Big Apple war seine riesige Erfahrung: „Ein typischer Rookie versucht, in der NBA erst mal seine Rolle und Identität zu finden. Bei Pablo war das anders. Er wusste bereits, wer er ist, und spielt nicht wie ein Neuling“, sagt Center Tyson Chandler. Bei Prigionis Vita ist das kaum verwunderlich: In seinen 16 Profijahren vor der NBA-Zeit hat er nicht nur mit seinen Clubs große Erfolge gefeiert, sondern vor allem auch mit Argentinien, wobei der Olympiasieg 2004 sowie die Bronzemedaille 2008 die unumstrittenen Highlights für Pablo und die Gauchos waren. Durch die Erfolge ist er zu einem der besten Playmaker der Welt gewachsen – nur die NBA-Stars hatten ein höheres Ansehen. Deswegen hat sich der zweifache Familienvater auf seine alten Tage noch für ein Engagement in den USA und die Herausforderung, sich tagtäglich mit der Elite des Basketballs zu messen, entschieden.

New York oder Spanien?

Diese Erfahrung hat er nun gemacht. Stellt sich die Frage, wie es für den Oldie-Rookie weitergeht. Wird er noch mal ein NBA-Trikot überstreifen? Der mittlerweile 36-Jährige war zuletzt nicht nur der sechzehntälteste Spieler der NBA, sondern ließ auch durchblicken, dass er unter Umständen nach Spanien zurückkehrt. Gerüchten zufolge wolle seine Frau gerne zurück nach Spanien. Pablo, dessen Vertrag am 30. Juni ausgelaufen ist, wollte sich zu Redaktionsschluss noch nicht festlegen: „Ich würde gerne in den USA und der NBA bleiben, manchmal entscheiden aber andere Faktoren.“

Fest steht: In die NBA-Geschichtsbücher hat der Aufbau es geschafft! Denn nur Nat Hickey (45 Jahre, 1947, Providence Steam Rollers) und Charley Ship (36, 1949, Waterloo Hawks) waren in ihrer Rookie-Saison älter als Prigioni.

Unterm Strich bleibt also: Pablo Prigioni hat keine typische NBA-Karriere erlebt und ist einen Weg gegangen, den nur wenige Spieler vor ihm wählten. Auch in fortgeschrittenem Alter hat der Routinier gezeigt, dass er auf Spitzenniveau mithalten kann – wenngleich nicht als Star. Doch das hatte auch niemand erwartet, als er über den großen Teich kam, denn Pablo war stets ein Teamplayer, der nie im Rampenlicht stand. Und wohin ihn sein Weg auch führen wird: Prigioni hat seine Karriere durch das Engagement bei den Knicks abgerundet und ihr das fehlende Mosa-iksteinchen hinzugefügt. Nun kann er seine Profi-Laufbahn ausklingen lassen und sich in den Ruhestand verabschieden – ganz gleich, ob in New York oder woanders. Der Oldie-Rookie fühlt sich eh auf fast allen Courts dieser Welt wohl.

Scouting-Report:

Stärken: Sicheres Ballhandling, guter Schütze, scharfes Auge, exzellenter Passgeber und solider Defender. Erfahren, abgezockt, mit hohem Basketball-IQ ausgestattet. Ein Vorzeige-Profi.

Schwächen: Defizite im Eins-gegen-eins und fehlende Athletik, die verständlicherweise im Alter von 36 Jahren nicht mehr auf dem Level der jungen Guard-Elite ist.

Fazit: Ein paar Jahre könnte Prigioni noch in der NBA spielen, doch er wird sich nicht mehr signifikant steigern. Seine Qualitäten sind unbestritten, der Zahn der Zeit hört aber nicht auf, an ihm zu nagen.

Henning Kuhl